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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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dachte Niels, als die Frau wieder auf die Beine kam und dabei ein Gesicht machte, das mehr als deutlich erkennen ließ, wie sehr sie die Kontrolle über sich selbst verloren hatte. Sie kämpfte mit der Feinmotorik. Erst Alkohol, dann Kokain, korrigierte er seine Ver mutung. Ihr Körper war von einem dünnen, weißen Stoff umhüllt, der in gewissen Kreisen anscheinend als Bekleidungsstück durchging.
    »Bist du das?«, fragte sie und kniff die Augen zusammen, während sie versuchte, sich ihre Zigarette anzuzünden.
    »Und wer bist du?«, fragte Niels. Sie trat aus dem Dunkel in das rötliche Licht, das aus dem Fenster fiel. Ihr durchscheinendes Gewand schmiegte sich an ihren Körper. Sie trug keine Unterwäsche.
    »Nee, du bist das nicht.«
    »Wenn du meinst.«
    Sie schüttelte den Kopf, Niels war sich aber nicht sicher, ob das in Zusammenhang mit ihrem Gespräch stand. Eher mit dem inneren Monolog, den sie führte, murmelnd, entrückt, high. Er ging die Treppe hoch, vier rostige Stufen, und drückte die Tür auf. Ein Vorraum. Alte Telemark-Ski standen in einer Ecke. Antik, mindestens dreißig Paar. Zwei Frauen kamen aus einer Toilette, und Niels folgte ihnen durch das Fabrikgebäude. Auf dem Boden entlang der Wände brannten Teelichter. Die meisten waren ausgegangen. Ein paar Lampen, wie man sie früher in Dunkelkammern verwendet hatte, tauchten den hintersten Teil des Lokals in rotes Licht. Die Frauen folgten dem Rhythmus und dem Licht. Durch das Fabrikgelände, hatte Dicte gesagt. Da. Zwei rote Lampen, asiatisch, wie kleine Häuschen mit geschwungenen Dächern.
    »Acheron« stand auf der Tür, nachlässig geschrieben, fast wie von einem Kind. Eine morsche Tür aus altem Holz, rostige Beschläge, die Farben hatte der Regen längst abgewaschen. Niels klopfte an die Tür. Hart. Nicht vorsichtig oder demütig. Er wollte damit signalisieren, dass er den Ort kannte. Ein Teil von ihnen war. Vielleicht kämpfte er damit aber auch gegen die wach sende Nervosität an, die er in sich spürte. Was war das für ein Ort? Was ging auf der anderen Seite der Tür vor sich? Sie wurde sogleich geöffnet. Die Scharniere kreischten auf.
    »Wen suchen Sie?«
    Ein jüngerer Mann sah Niels kalt an. Die langen, schwarzen Haare, die ihm in die Stirn fielen, kaschierten das auffallend anonyme Gesicht.
    »Den Fährmann.«
    Wieder der Blick dieses Mannes: musternd, hasserfüllt? Er öffnete die Tür. Niels trat ein. Es verging eine Weile, bis seine Augen sich an die Beleuchtung gewöhnt hatten. Nur ein paar wenige Kerzen brannten. Die Sommernacht draußen war heller gewesen.
    »Deine Kleider kannst du da ablegen.« Er zeigte in eine Ecke.
    Kleider?, fragte Niels sich, sagte aber nichts. Er trug nur Hemd und Hose.
    »Bist du das erste Mal hier?«
    »Ja«, entschloss Niels sich zu sagen. Es machte keinen Sinn, den Erfahrenen zu spielen, dann würden sie ihn gleich entlarven.
    Er sah, wie sich ein Lächeln auf den Lippen des Mannes ausbreitete. Er trat einen Schritt näher.
    »Habe ich dich nicht schon mal gesehen?«
    »Schon möglich, ich habe nicht …«
    »Im Fernsehen vielleicht«, unterbrach der Mann Niels.
    »Nein.«
    Er legte den Kopf zur Seite und sah Niels lange an. »Wer hat dich eingeladen?«
    »Dicte.«
    »Wir kennen niemanden mit dem Namen.«
    »Giselle«, sagte Niels instinktiv.
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich ganz plötzlich. Mit einem Mal war alles Frivole, Neckende weg. Was blieb, war Furcht.
    »Du kanntest sie?«
    »Ja.«
    »Und du weißt, was passiert ist?«
    »Wer tut das nicht? Das war ja nicht zu übersehen.«
    »Warte hier. Nein, Moment. Es ist besser, du wartest draußen«, flüsterte er und öffnete die Tür, durch die Niels gerade erst hereingekommen war.
    Er ging wieder nach draußen auf die Treppe. Die eingepferchten Technorhythmen waren noch immer zu hören. Der Polizist regte sich in ihm, und er hatte eine Riesenlust, Leon anzurufen und ihn zu bitten, die ganze Bude zu stürmen, die Türen einzutreten und alle hier rauszuholen. Das zu tun, was Leon so gut konnte, bis kein Stein mehr auf dem anderen war und alle Türen für im mer offen standen. Leon würde diese Aufgabe lieben, daran zwei felte Niels nicht eine Sekunde. Er war wie geschaffen dafür, in diesem Wirrwarr aus Szeneklubs, Drogen und experimentellen Lebensformen auf illegal besetztem städtischem Grund aufzuräumen. Leon war wie ein hungriges Raubtier, dem man ein Stück Fleisch hinhielt, vorhersagbar: Schreie, Gebrüll und Massenfestnahmen,

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