Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Minuten dauern. Er musste nur die Treppe hoch, das Auto ein paar Hundert Meter wegfahren und es irgendwo parken, wo es bestmöglich versteckt war. Dann konnte er wieder zurückgehen. Das war die einzig vernünftige Vorgehensweise. Auch Silke zuliebe. Nur sie bedeutete etwas. Er musste die Antwort finden und Silke Frieden schenken.
Komm schon, machte er sich Mut.
Die Treppe hatte er schnell hinter sich gebracht. Das Adrenalin vervielfachte seine Kraft. Oder genauer: Das Adrenalin kombiniert mit dem Schlafmangel und den Aufputschmitteln, die er schluckte. Irgendwie wirkten sie sich auch auf seine Augen aus. Als sähe er deutlicher als sonst. Detailreicher, fokussierter. Trotzdem war in seinem Kopf Platz für einen Gedanken, der nicht in den Plan passte. Eine plötzliche Idee, die Richtung zu ändern. Das Ganze aufzugeben. Zur Klinik zu fahren, sich Silke zu schnap pen, sie ins Auto zu setzen und einfach wegzufahren. Einfach so weit weg wie möglich. An irgendeinen Strand, wo es warm war. Sizilien vielleicht. Vulkane und Apfelsinen. Nein. Er zwang seine Gedanken, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren. Hannah. Der Plan. Er durfte jetzt nicht an Silke denken. Oder an die Ärzte mit ihren wohlmeinenden Blicken. An die Kinder im Aufenthaltsraum, deren Zukunft niemand brauchte. Er erreichte das Ende der Treppe und legte die Hand auf die Türklinke. Trat nach draußen. Schloss die Tür hinter sich und lief die wenigen Meter zu dem abgestellten Auto. Wie weit weg musste er parken? Er ließ den Motor an. Mücken tanzten im Scheinwerferlicht. Auf dem Beifahrersitz lagen ungebrauchte Spritzen und Pipetten. Er wurde wirklich langsam unvorsichtig. Wenn die Polizei das gesehen hätte … Aber das war jetzt egal. Jetzt war er hier. Jetzt fehlte nur noch der letzte Schritt.
Als er in den Wald fuhr, sah er etwas im Rückspiegel. In der Ferne. Das Licht eines anderen Autos. Konnte das von der Landstraße herüberscheinen? Nein. Das Auto war im Wald. Er schaltete den Motor aus.
30.
Hellebæk, 23.18 Uhr
Niels parkte an einer Lichtung im Wald. War es wirklich hier? Die Koordinaten stimmten mit Caspers Angaben überein. Er stieg aus dem Auto und stellte die Füße auf den weichen Boden. Dann sah er die Tür, sie schien förmlich aus dem Wald zu wachsen. Perfekt getarnt. Ein Tor ins Innere der Erde, schon jetzt fast ein Teil der Natur. Gras und Zweige wuchsen rings um die Betonkonstruktion. Niels fragte sich aber, ob das wirklich der richtige Ort war. Konnte das der Eingang zu einem unterirdischen Komplex sein, der Hunderte von Menschen beherbergen sollte? Er packte den kalten stählernen Handgriff, drückte ihn nach unten, aber die Tür bewegte sich nicht einen Millimeter. Stattdessen zitterte sein Bein. Er fror. Und wenn es gar nicht hier ist oder ich zu spät bin? Vielleicht ist das hier ja bloß irgendein Generator? Fenster gab es keine. Einen Ventilationsschacht? Luft? Ja, dachte Niels, wenn das hier Regan Ost war, musste es eine Belüftung geben. Aber wo? Vielleicht war das jetzt der Moment, in dem er um Hilfe bitten musste. Niels sah auf sein Handy. Kein Empfang. Er stocherte mit der Schuhspitze im Boden herum. Wie Dicte es getan hätte. Warum musste er jetzt an sie denken? Weil Solotänzer irgendwann einpacken mussten? Weil er Hilfe brauchte. Jetzt. Er ging zurück zum Auto, ließ den Motor an und schaltete die Scheinwerfer ein. Sein Handy empfing noch immer kein Signal.
Gib mir ein Zeichen.
Er suchte die nähere Umgebung ab, fand aber weder einen anderen Eingang noch einen Ort, an dem er Empfang hatte. Dann fiel ihm eine dicht stehende Baumgruppe auf. Vielleicht war dort etwas. Auf jeden Fall wäre das ein gutes Versteck. Als Niels näher kam, knackten Blätter und Zweige unter seinen Füßen. Dann sah er das Auto. Einen weißen Lieferwagen. War das der, mit dem Hannah hierhergebracht worden war? War sie noch im Auto? Nein, sie musste in den Bunker gebracht worden sein, andernfalls hätte sie ja nicht morsen können. Aber dann war sie noch am Leben. Auf jeden Fall war sie das noch vor Kurzem gewesen. Er ging um das Auto herum und sah in den Laderaum. Nichts. Und zu hören war auch nichts. Nur die Geräusche des Waldes. Oder?
Der Schlag war unprofessionell, zu hart und nicht genau genug. Er traf ihn an der Schläfe und nicht am Hinterkopf, wie man es auf der Polizeischule lernte. Nur so waren die Menschen schnell und effektiv außer Gefecht zu setzen. Niels schrie vor Schmerzen, sah alles doppelt, und seine Beine zuckten
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