Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
spastisch.
»Bergmann!«
Niels versuchte sich hinzuknien. Zurückzuschlagen, aber seine Arme fegten nur durch die Luft. In seinem Mund schmeckte er Sommer, Beeren und warme Erde, getrocknet von der Sonne.
»Hannah!«, schrie Niels. Er rappelte sich auf, ging aber direkt wieder zu Boden. Als er sich umdrehte, stand Schlafforscher Adam Bergmann direkt hinter ihm. Bergmann trat einen Schritt vor. Niels versuchte, sich vor dem Schlag mit dem Arm zu schützen, aber Bergmann schlug umso fester. Zweimal. Tausend Gedanken schossen Niels durch den Kopf. Über Hannah, Leon, Casper und seine ungeborenen Zwillinge, aber keiner davon konnte ihm auf die Beine helfen. Dann spürte er einen Stich in der Schulter. Eine Biene, dachte sein benebeltes Hirn, doch als er aufblickte, sah er Bergmann mit einer Spritze in der Hand.
»Wo ist sie? Wo ist meine Frau?« Niels fasste sich in den Nacken.
Bergmann sah aus wie jemand, der gerade eine Partie Schach gewonnen hatte. Er trat einen Schritt zurück.
»Was haben Sie getan?« Die Schmerzen in der Schläfe verschwanden unglaublich schnell. Zu schnell. Was auch immer Bergmann ihm gespritzt hatte, es war ungeheuer effektiv.
Niels kniete sich hin und kam weiter auf die Beine. Er ging einen Schritt auf Bergmann zu, schlug nach ihm und traf ihn im Gesicht. Bergmann stieß Niels weg, ruhig und abwartend. Als wüsste er, dass er gleich in einen tiefen Schlaf fallen würde. Oder sterben? Die Erkenntnis kam Niels, als er am Boden lag und Arme und Beine nicht mehr koordinieren konnte. Das also ist meine letzte Sekunde, dachte er. Der Gedanke erleichterte ihn irgendwie. Machte ihn schwerelos. Er spürte die trockene Erde zwischen den Fingern. Erde zu Erde . Nein, es war bloß der Stoff, den er ihm gespritzt hatte, der ihn so entspannen ließ. Reiß dich zusammen, Bentzon! Was ist mit Hannah? Seine Augenlider wurden schwer. Er versuchte, alle Muskeln seiner Stirn zu aktivieren, um sie nach oben zu ziehen, während die allerletzten analytischen Impulse in seinem Hirn zur Landung ansetzten: Du kannst nichts mehr tun, das ist das Ende. Nein! Deine ungeborenen Kinder. Du musst an sie denken. Du hättest Hilfe rufen sollen. Wieder mal typisch. Alles musst du allein machen.
»In ein paar Sekunden sind Sie weg«, sagte eine Stimme.
War das Bergmann? Niels öffnete die Augen für einen Moment und sah ein Paar Schuhe mit nackten Füßen. Braune, teure Clarks, dachte er. Reiß dich jetzt zusammen.
»Hilfe«, flüsterte er. Eigentlich hatte er das rufen wollen. Unmöglich. Du musst mit dem Handy … Hilfe rufen … Er spürte, wie Finger seine Augenlider hochzogen. Dann wurde ihm mit einer kleinen Taschenlampe in die Pupillen geleuchtet. Alles wurde weiß. Unter Aufbietung seiner letzten Kraft bekam er Kontakt zu seiner linken Hand und beorderte sie in seine Tasche. Wenn er nur anrufen könnte. Unmöglich, er konnte ja nicht einmal spre chen. Und Bergmann würde das bemerken und ihm das Handy wegnehmen. Eine Taste, und man konnte eine SMS schreiben. War es nicht so? Aber gab es hier überhaupt Empfang? Er hörte, dass Bergmann um ihn herumging, geduldig wie ein Raubtier vor seiner gefällten Beute, während er darauf wartete, dass Niels am Ende war. Ja, eine Taste, und man konnte eine SMS schicken. Es gab neun Tasten, und oft fand das Handy die Wörter selbst. Was war der kürzeste Hilferu f ?, fragte Niels sich. SOS ? Sollte er es wie Hannah machen? Ja, SOS . Wie ging das noch mal? Neun Tasten, neun kleine Tasten … Mann, du hast schon Millionen von SMS geschrieben, überlass das doch deinen Fingern. Niels ließ seinen Daumen bestimmen, drückte drei Tasten und dann auf »Senden«. Aber an wen? Bergmann leuchtete in seine Augen.
»Das war aber auch an der Zeit«, flüsterte er und zog Niels am Bein. Bentzon spürte, wie die Erde über seinen Rücken gezogen wurde. Nein, es musste umgekehrt sein. Jetzt komm schon, Bentzon, denk nach. Wem kannst du diese SMS schicken? Leon? Der Daumen fand den mittleren Knopf des Telefons. L . Und dann den rechts darüberliegenden. E . Reichte das, damit das Telefon Leon im Adressbuch fand? Taste Nummer sechs von oben. O . Und dann »Senden«.
31.
Valby, 23.21 Uhr
Thirty love. Wimbledon, ein Frauenmatch. Vielleicht eine Wiederholung vom letzten Jahr, als Auftakt für das kommende Wimble don-Turnier? Leon wusste es nicht, es war ihm aber auch egal. Er liebte Frauentennis: Die Mischung aus Aggression, Frauen, durchtrainierten Beinen, Gewinnern und Verlierern enthielt
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