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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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finden. Vielleicht eine Jagdhütte. Was macht man sonst im Wald?«
    Niels legte auf. Er war an seinem Auto angekommen. Und jetzt? Wohin sollte er jetzt fahren? Die Tränen der Hoffnungslosigkeit stiegen ihm in die Augen, sodass ihm das Klingeln des Telefons fast einen Schock versetzte.
    »Casper, hast du meine Nachricht bekommen?«
    Schweigen.
    »Hallo?«
    Immer noch Schweigen. Aber Niels spürte, dass da jemand war, und sagte lauter:
    »Niels Bentzon, mit wem spreche ich?«
    Eine weit entfernte, jung klingende Stimme sprach amerikanisches Englisch: »Hello?«
    »Wer ist da? Hier ist Niels.«
    »Niels? Do you speak English?«, fragte die Stimme.
    »Ja«, antwortete Niels auf Englisch. »Mit wem rede ich? Wer sind Sie?«
    »Anthony«, sagte die Stimme. »Anthony Gibson. Ich rufe aus Caldwell an, Idaho. Wo sind Sie?«
    Niels hätte am liebsten aufgelegt. Aber etwas an der Stimme des Fremden ließ ihn zögern. Sein Tonfall. Er klang so ernst, fast verzweifelt. Er sagte: »Dänemark, Europa. Was wollen Sie?«
    »Ich weiß es nicht genau. Aber wir haben in unserer Klasse gerade so ein Projekt. In Physik. Wir versuchen eigene Morseapparate zu bauen. Verstehen Sie?«
    Verstand Niels? Er wusste jetzt jedenfalls, dass er einen Teenager am Telefon hatte. Einen Jungen, der von seiner Schule in den USA anrief, wo er mit einem Morse-Projekt beschäftigt war. Niels hörte Stimmen im Hintergrund. Andere Schüler? Ein Lehrer, eine Glocke klingelte, dann waren kichernde Mädchen zu hören.
    »Sind Sie noch da?«
    »Ja«, antwortete Niels. »Aber warum rufen Sie mich an?«
    »Ich habe eben einen Notruf erhalten. Ein SOS und …«
    »Sie sind nicht angerufen worden?«
    »Nein, das war ein Morsesignal.«
    »Morsesignal?«
    »Ja. Morsezeichen. Ich habe die mit meinem Funkgerät aufgefangen.«
    »Mit meiner Nummer?«
    »Mit dieser Nummer hier, ja. Erst ein SOS und dann Ihre Num mer. Und dann noch eine andere Nummer.«
    »Hat sie etwas gesagt?«
    »Sie? Ja, also: caught. Sie hat geschrieben, dass sie gefangen ist.«
    »Und was war das für eine andere Nummer?«
    »Augenblick«, sagte der Junge.
    Pause, Knacken, dann war er wieder da.
    »Sind Sie bereit?«
    »Ja«, sagte Niels.
    »Okay, die Nummer, die ich empfangen habe, lautet: 5,6,1,1 und dann der Buchstabe N.«
    Niels hatte nichts zu schreiben. Sollte er den Autoschlüssel nehmen?
    »Können Sie das noch einmal wiederholen?«
    Niels nahm den Schlüssel in die rechte Hand und beugte sich über das Dach des Wagens.
    »5,6,1,1,N.«
    Er ritzte die Zahlen und den Buchstaben in den Lack.
    »Okay, sonst noch was?«
    »Nein, das war alles.«
    »Aber …«
    »Leider, danach habe ich den Kontakt verloren.«
    »Versuchen Sie es weiter.«
    »Aber …«
    »Anthony! Versuchen Sie es weiter. Und rufen Sie mich sofort an, wenn Sie etwas auffangen.« Stille. Niels hörte, dass ein Erwachsener mit dem Jungen sprach. Etwas wie: »So ist das, wenn man morst – man übernimmt Verantwortung.«
    »Anthony?«
    »Yes?«
    »Thank you.«
    Niels beendete das Gespräch. Er schwitzte. Hannah. Mein Gott. Sie hatte ihm eine Handvoll Zahlen gesendet. Das war ja wieder typisch. Zahlen waren ihr Universum, ihre Sprache. Er sah auf die Zahlen auf dem Dach. Das waren GPS -Koordinaten. Längen- oder Breitengrad? Ein Notsignal. Caught. Aber von wo konnte man heute noch morsen?

27.
    Nördlich von Kopenhagen, 23.04 Uhr
    Sie konnte ihn hören. Er näherte sich der Tür. Idaho, dachte Hannah. Ich habe meine letzte Hoffnung bei einem total fremden Mann in Idaho deponiert. Und warum denke ich eigentlich, dass es ein Mann ist? Warum mache ich mir überhaupt Hoffnung? Ich weiß noch nicht einmal, wo das liegt. Irgendwo in der Nähe des Colorado? In den Rocky Mountains? Oder war das einer dieser Wüstenstaaten? My Own Private Idaho . Den Film hatte sie mal mit Gustav gesehen. Ja, in dem Film war überall Wüste gewesen, und gespielt hatte dieser Schauspieler, der so jung ge storben war. Wie auch sie jung sterben sollte. Zu jung. Wie Johannes.
    Er war an der Tür. Noch einmal zerrte sie an den Handschellen, es tat weh, kam ihr aber selbst ein bisschen halbherzig vor. Es nützte ja doch nichts. Wieder ein Schlag gegen die Tür, oder waren das Tritte? Egal, dachte sie, sollte er doch kommen. In gewisser Weise war ihre Angst sogar größer, wenn sie ihn nicht sehen konnte. Im gleichen Moment ging die Tür auf.
    »Was hast du gemacht?«
    Er starrte auf den Morseapparat. Auf den Lautsprecher, aus dem noch immer leise Töne drangen.

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