Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
mechanische Konstruktion, die ihren Kopf hielt.
»Ich weiß, das sieht schrecklich aus«, sagte Bergmann. »Aber das ist das gleiche Gerät, das man bei Hirnoperationen ver wendet.«
»Ich bin okay, Niels«, sagte Hannah, klang dabei aber wenig überzeugend.
»Ich bitte Sie, das dürfen Sie nicht«, sagte Niels und konnte seinen Atem nicht kontrollieren.
»Man braucht wirklich keine Angst zu haben«, sagte der Arzt. »Ich habe jetzt schon so viele getroffen, und alle erzählen die gleiche Geschichte. Unser Bewusstsein verlässt den Körper und reist weiter.«
»Damit kommen Sie nicht durch«, sagte Niels drohend. Er dachte nicht klar. Musste die Taktik ändern. Rede mit ihm, statt ihm zu drohen, flüsterte der professionelle Niels dem ängstlichen Niels zu. Ja, rede mit ihm. Bring ihn dazu, andere Möglichkeiten zu erkennen, du darfst in ihm nur einen Lebensmüden sehen, einen Geiselnehmer, einen Desperado. Du bist dazu ausgebildet worden, solche Leute von ihren Taten abzubringen.
»Durchkommen?«, wiederholte Bergmann und sah aus, als dachte er über Niels’ Worte nach. »Durch-kommen. Die Seele kommt durch«, flüsterte er.
»Ja, diesen Weg müssen wir alle gehen«, sagte Niels. »Aber war um jetzt?«
»Wir müssen meine Frau finden. Ich weiß, dass sie da ist.«
»Ihre Frau ist tot. Sie wurde ermordet.«
Bergmann blickte auf. Niels hatte jetzt zum ersten Mal Augen kontakt mit ihm.
»Woher wissen Sie das?«
»Das spielt keine Rolle«, sagte Niels und versuchte das Gefühl der Hoffnungslosigkeit zu verdrängen. »Genauso, wie ich Sie hier gefunden habe«, fuhr er fort, »wird alles, was in diesem Raum geschieht, aufgeklärt werden.«
Bergmann schüttelte den Kopf. »Wenn Ihre Kollegen wüssten, wo Sie sind, wären sie längst hier.«
»Vielleicht, ja, vielleicht platzt die Kavallerie nicht gerade jetzt zur Tür herein. Aber was ist mit morgen? Wenn wir vermisst werden?«
»Man wird das für Selbstmord halten.«
»Wird man? Wir haben herausgefunden, wie Dicte van Hauen sich das Leben genommen hat. Sie haben sie in den Tod getrieben.«
Bergmann schüttelte wieder den Kopf.
»Aber wie endet diese Sache hier für Sie?«, fragte Niels.
»Meine Tochter bekommt Gewissheit. Ich bekomme Gewiss heit. Der Mörder wird gefunden. Der Gerechtigkeit wird Genüge getan.«
»Meine Frau soll sterben, damit Ihnen Gerechtigkeit wider fahren kann? Das klingt in meinen Ohren nicht ganz gerecht.«
»Ich hole sie wieder zurück. Ich bin Arzt.«
»Und wenn das schiefgeht?«
»Es wird nicht schiefgehen. Ich habe das schon einmal gemacht.«
»Und Dicte?«
»Sie ist selber gesprungen.«
»Und Peter Jensen?«
»Wenn wir zusammenarbeiten, geschieht nichts. Peter hat sich gewehrt.«
»Meine Frau ist schwanger.«
Bergmann sah Niels überrascht an. Niels sah, dass er sich Ge danken über die Konsequenzen machte. Fünf Minuten ohne Sauerstoff, und der Fötus würde Schaden nehmen. Sterben.
»Wie weit sind Sie?«
»Neun Wochen«, sagte Hannah. »Haben die Kleinen Schaden durch die Betäubung genommen?«
»Nein. Aber ein Fötus überlebt es nicht, wenn er mehrere Minu ten ohne Sauerstoff ist. Betrachten Sie das als eine Abtreibung«, sagte Bergmann und fuhr fort: »Schließlich werden in Dänemark jedes Jahr Tausende von Abtreibungen vorgenommen.«
»Sie verstehen das nicht«, flüsterte sie. »Wir können keine Kinder bekommen.«
»Das ist fast ein Wunder«, sagte Niels.
»Und Sie sind sicher, dass Sie der Vater sind?«
»Sie Schwein«, fauchte Hannah.
»Man kann nie wissen. Man bezweifelt alles, wenn die eigene Frau …«
Bergmann kam ins Stocken. Holte tief Luft. Er war ein reservierter Mann, nicht geschaffen für das Leben, das er bekommen hatte. Nicht geschaffen, um über Gefühle zu reden. Niels fragte sich, was für ein Leben zu ihm passen würde: ein Leben in Uni form. Arztkittel, Anzug, Golfkleider, einem festen Rahmen. Ja, ein fester Rahmen, innerhalb dieses Rahmens hätte sich ein gutes Leben entfalten können. Aber seine Frau hatte diesen Rahmen ein für alle Mal gesprengt. Mit ihrem Liebhaber und ihrem brutalen Tod. Geblieben war nur die Auflösung.
»Ihre Frau. Erzählen Sie mir von ihr«, bat Niels.
»Sie …« Er zögerte, versuchte, noch einmal am gleichen Ort zu beginnen: »Sie …«
»Sie hatte einen Geliebten?«
»Sie hatte einen Liebhaber, ja«, sagte Bergmann und stockte wieder.
Er war wie ein Auto, das erst in Gang kommen musste, dachte Niels und übte weiter leichten Druck auf ihn
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