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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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verließ die Wohnung. Er ging ins Treppenhaus und lief nach unten. Als er die Haustür öffnete, überfiel ihn die Sonne. Er sah auf seine Uhr: 14.56 Uhr. Noch eine Stunde bis zu Dictes Treffen. Aber noch immer fehlte ihm der Treffpunkt. Wo kann das nur sein?, fragte er sich. Dann kam eine SMS von Cas per: Hab die Fotografie aus dem Ballett bekommen . Lege jetzt los .
    Er atmete tief durch, als er schwitzend wieder im Auto saß, das Buch in seinen Händen. Phaidon. Sokrates. »Dicte van Hauen 1992«. Eine lange Zeit, um wieder und wieder im selben Buch zu lesen. Als er es erneut durchblätterte, bemerkte er, dass eine Seite fehlte. Seite 41 war ausgerissen worden. Niels schloss die Augen und versuchte, einen Sinn daraus abzuleiten. Dicte wird anderthalb Tage lang gefangen gehalten. Ertränkt. Wiederbelebt. Läuft weg. Und unter ihrem Bett liegt ein Buch über die Existenz der Seele, in dem eine Seite fehlt.

35.
    Rigshospital, 15.06 Uhr
    Die Verhandlung geht weiter. Die Zeugen werden hereingerufen. Der Richter setzt sich. Hannah hatte das schon tausendmal in amerikanischen Filmen gesehen. Irgendein Statist ruft: »All rise! The Honorable Judge Hannah Lund Presiding.«
    Hannah setzte sich auf einen Stuhl. Den Richterstuhl. Sie sah sich um: Der Flur war in erster Linie weiß, eine Farbe, die zu dem unverkennbaren Krankenhausgeruch passte, der in der Luft hing. Hannah lehnte sich auf dem unbequemen Stuhl zurück und schloss die Augen. Versuchte, die Müdigkeit in den Hintergrund zu drängen. War es überhaupt angemessen, von einem Doppelmord zu sprechen? Mord. Was bedeutete das? Dass man mit Vorsatz lebende Menschen umbrachte? Ja, so in etwa musste die Definition lauten. Aber wenn die betreffenden Menschen noch gar nicht lebten – was war das dann? Konnte dann wirklich die Rede von Mord sein? Die Frage musste also lauten: Waren die Föten, die in ihr heranwuchsen, als lebende Menschen zu betrachten? Das musste sie in diesem Gespräch klären. Als sie an der Reihe war, aufstand und über die Türschwelle trat, wurde sie plötzlich von dem Gefühl grenzenloser Einsamkeit überrumpelt. Sie hatte niemand anderen zum Reden als die Krankenschwester auf der anderen Seite der Tür, niemanden außer diesem total frem den Menschen.
    »Hallo!«, sagte die Schwester auf sehr jugendliche Weise. Die dicke Brille stand ihr. Sie hatte kurze blonde Haare, die gut zu ihrem kurzen, prägnanten Namen passten. »Nehmen Sie Platz.«
    »Danke«, sagte Hannah.
    »Also …«
    Eva setzte sich vor sie und ließ den Blick rasch über ihren Bildschirm schweifen.
    »Hannah Lund?«
    »Ja.«
    »Und Sie sind schwanger und möchten gerne abtreiben?«
    »Ja.«
    »Oder lassen Sie es mich anders sagen: Sie sind sich nicht ganz sicher?«
    Hannah sah sich im Raum um. An der Wand hing ein Matisse-Plakat. Das Licht der Lampe war so grell, dass es fast schon unangenehm war. Ein Tisch und zwei Stühle. Ein Glas Wasser auf dem Tisch.
    »Und über diese Zweifel möchten Sie gerne sprechen?«, fragte die Schwester und schob sich die Brille auf die Stirn. »Könnten Sie diese Zweifel für mich in Worte fassen?«
    Hannah zögerte. Konnte sie das? Aber wie? Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte.
    »Haben Sie Kinder?«, frage sie die Schwester, dabei hätte sie so viel anderes fragen können.
    »Ja, zwei Jungen.« Eva lächelte. »Drei und sechs.«
    »Haben Sie während Ihrer Schwangerschaft an Abtreibung gedacht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nie.«
    »Betrachten Sie eine Abtreibung als Mord?«
    Die Schwester rutschte auf ihrem Stuhl herum. Die Frage war ihr sichtlich unangenehm. »Ich finde, so kann man das nicht sehen.«
    »Wie würden Sie es definieren, wenn man jemanden umbringt? Ermordet?«
    »Hannah, ich meine, wir sollten bei Ihnen anfangen. Deshalb sind Sie doch auch gekommen.« Eva legte ihre Brille für einen Moment auf den Tisch, bereute das aber gleich wie der und steckte sie sich wieder auf die Stirn. »Lassen Sie mich an Ihren Gedanken teilhaben. Ich würde gerne hören, was Sie den ken.«
    »Aber das sind doch meine Gedanken. Sind die denn so verkehrt?«
    »Das kommt darauf an, wie man es sieht. Ich denke aber schon, dass Ihre Gedanken in die falsche Richtung gehen. Eine Abtreibung ist natürlich mit einer Unmenge von Fragen verbun den, darunter auch moralische. Aber solange Sie unter zwöl f Wochen sind, sind Sie in Dänemark innerhalb der legalen Grenze.«
    »Mit anderen Worten fängt das Leben also erst mit zwölf Wochen an?«
    »In

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