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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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weiße Rose in der Hand und hatte einen Schulranzen auf dem Rücken.
    »Ist das okay?«, flüsterte sie wieder und sah auf das Grab. »Also, du hast dich ja selbst für den Tod entschieden. Hattest eine Krankheit in der Seele und wolltest nicht mehr leben. Das verstehe ich. Aber gab es nicht auch einen Zeitpunkt, an dem du …«
    Sie kam ins Stocken. Die Worte wollten nicht über ihre Lippen. Sie nahm eine Hand voll Kies und ließ die Steine durch die Finger rutschen. Lauschte dem leisen, rieselnden Geräusch. »Gab es nicht auch mal eine Zeit, in der du dachtest, dass das Leben gut ist?«, flüsterte sie. »In der du dachtest: Ich bin froh, geboren worden zu sein, das Leben ist nicht leicht, aber möglich? Hast du mal so gedacht?«
    Stille. Unterbrochen von dem Herumkramen des Friedhofsgärtners, der am Schuppen mit einer Harke und einem Eimer hantierte, und den Worten des alten Mannes, der zu seinem Enkel sagte: »Ich bin mir sicher, dass Großmutter es gut hat, da, wo sie jetzt ist.«
    »Kannst du hören, was ich sage, Johannes?«, flüsterte Hannah. »Habe ich ein Verbrechen begangen … als ich … dich bekommen habe? War das ein Übergriff auf ein wehrloses Kind? Nein, so will ich nicht fragen. Ich will von dir nur wissen, ob du dir gewünscht hast, niemals geboren worden zu sein. Ja, genau das will ich dich fragen.
    Lieber Johannes, mein über alles geliebter Sohn. Würdest du dir wünschen, niemals geboren worden zu sein?«
    Sie schloss die Augen. Verschwand in einem Raum, der nur ihr vorbehalten war. Die Geräusche um sie herum verstummten. Was blieb, waren nur Stille und Dunkelheit. Und eine Kinderstimme, die sagte: »Ja.«

40.
    Kopenhagen, 15.50 Uhr
    Das Thorvaldsen-Museum lag gegenüber dem Staatsministerium und direkt neben dem höchsten Gericht mitten im Epi zentrum des dänischen Staates. Und das mit gutem Grund. Thorvaldsens Werke waren auf der ganzen Welt berühmt. Menschen aus nah und fern reisten hierher, um sich von der Magie verzaubern zu lassen, die Thorvaldsen im Blick Jesu eingefangen hatte: sein Kopf nach unten gebeugt, Arme und Hände leicht nach vorn gestreckt, gerade weit genug, damit man die Wunden der römischen Nägel sehen konnte. Damit endeten aber auch schon Niels’ Kenntnisse über den kleinen Mann, der 40 Jahre seines Lebens in Rom als Bildhauer gearbeitet und aus totem Kalkstein Figuren, Gesichter und Szenarien erschaf fen hatte, die noch heute lebendig waren und ihre Betrachter rührten. Die Tür war geschlossen. Aber drinnen waren Menschen. Männer. Und eine einzelne Frau. Er klopfte an. Eine Frau in Uniform blickte auf, schüttelte den Kopf und wollte Niels mit einer Bewegung zu verstehen geben, dass das Museum geschlossen war. Er klopfte fest an die Scheibe. Sie trat näher.
    »Wir haben geschlossen. Sonderführung«, sagte sie.
    Niels drückte seinen Polizeiausweis gegen die Scheibe. Einen Moment lang musterte sie die Fotografie eines deutlich jüngeren Niels. Als könnte sie Bild und Mann nicht wirklich zusammenbringen.
    »Machen Sie die Tür auf«, befahl er.
    Sie gehorchte, und Niels trat ein.
    »Ist etwas passiert?«, fragte sie.
    Niels sah sich um. Gruppen von Männern in teuren Anzügen, flankiert von schlanken, effektiven Frauen in Kostümen. Es sah ziemlich offiziell aus. Laminierte Namensschilder um den Hals. Drinks und Fingerfood auf einem Tisch mit weißem Tischtuch. »Mærsk«, stand auf dem Namensschild eines Mannes. Er ging mit einem Nicken an Niels vorbei.
    »Was ist das für eine Sonderführung?«
    »Im Auftrag des Außenministeriums«, antwortete sie.
    »Des Außenministeriums?«
    »Ja, eine europäische Handelsdelegation, glaube ich.«
    »Müssen die Thorvaldsen mögen?«
    Sie zuckte mit den Schultern und lächelte einem südländisch aussehenden Mann, der an ihnen vorbeiging, professionell zu.
    »Natten med sine børn«, sagte Niels, »wo finde ich das?«
    »In der Seitengalerie. Saal acht«, antwortete sie mit einem Seufzen. »Aber darf ich Sie fragen, worum es geht?«
    Niels ignorierte sie und sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Reichlich Zeit. Er ging nach unten in Richtung Toilette und Garderobe. Etwa dreißig durchsichtige Garderobenschränke. Ein idealer Ort für einen anonymen Austausch – sollte es überhaupt um so etwas gehen. Sollte überhaupt etwas geschehen.
    Die uniformierte Frau war ihm gefolgt. »Und?«, fragte sie und konnte ihre Verärgerung kaum noch verbergen.
    »Wann wurde diese Führung organisiert?«
    »Das weiß ich nicht, vor ein

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