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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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beschützen, würden die Vampire sie zerquetschen wie ein lästiges Insekt.
    »Ich muss jetzt zu Grandpa, Mum.«
    »Dann geh«, erwiderte Silvia mit einer melodramatischen Geste. »Ich komme schon zurecht.«
    »Weißt du was – ich glaube, das tust du tatsächlich.«

Viertes Kapitel

    S ie verließ das Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Auch das wird allmählich zur Gewohnheit , dachte sie, als sie das quietschende Tor aufschob und auf den Bürgersteig trat.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die zierliche Gestalt nicht bemerkte, die mit dem Rücken zur Straße auf einer Bank saß.
    »Hallo«, sagte eine Stimme neben ihr. April blieb abrupt stehen. Davina Osbourne, die Königin der Ravenwood-Schlangen und Kopf des Vampir-Rekrutierungsteams, stand vor ihr. Warum sie wohl vor ihrem Haus wartete?
    »Gott, Davina, mir wäre vor Schreck beinahe das Herz stehen geblieben.«
    »Tut mir leid«, sagte sie, doch in ihrer Stimme schwang ein Tonfall mit, der April noch nie aufgefallen war. Sie musterte sie genauer und war schockiert: Davina, sonst der Inbegriff von Stil und Gepflegtheit, schien völlig fertig zu sein. Ihr makelloser Teint wies Flecken auf, und tiefe Sorgenfalten hatten sich in ihre Stirn gegraben. Wüsste April nicht, dass es völlig ausgeschlossen war, würde sie glatt wetten, dass Davina sich die Haare nicht gewaschen hatte.
    »Ich habe das von deinem Dad gehört«, sagte Davina und putzte sich mit einem zerfledderten Papiertaschentuch die Nase. »Wie gruselig.«
    April, die keine Ahnung hatte, was sie darauf erwidern sollte, nickte nur stumm. Als Davina den Kopf hob, bemerkte April ihre blutunterlaufenen, rotgeränderten Augen.
    »Gehen wir einen Kaffee trinken?«
    Davina lächelte. »Das wäre nett, danke.«
    Sie gingen ins Americano. Im harten Schein der Neondeckenleuchten sah Davina noch mitgenommener aus – genau so, wie man sich jemanden vorstellte, der gerade einen Angehörigen verloren hatte: am Boden zerstört und völlig erschöpft vom vielen Weinen. Das Problem war bloß, dass niemand eine solche Reaktion von einem Vampir erwarten würde.
    »Wie war die Beerdigung?«, fragte Davina und fuhr mit dem Fingernagel am Rand ihrer Kaffeetasse entlang.
    »Du weißt davon?«
    Davina nickte.
    »Eigentlich wollte ich sogar hingehen.«
    »Ehrlich?«, fragte April erstaunt. »Ich dachte, du hättest Miss Holden gehasst.«
    Der Hauch eines Lächelns trat auf Davinas Züge.
    »Hass ist ein sehr starkes Wort. Sie ging mir auf die Nerven, das stimmt, aber ich … dass ihr etwas Schlimmes zustößt, wollte ich natürlich nicht. Zumindest nicht so etwas …«, fügte sie lahm hinzu.
    Stimmte das? Konnten Vampire wie Davina Osbourne so etwas wie Reue oder aufrichtiges Bedauern empfinden? Machte es ihr etwas aus, dass ihr kleiner Bruder ihre Geschichtslehrerin gefoltert und anschließend brutal ermordet hatte? Andererseits war Davina nicht gerade der liebevolle Typ – ihre Vorstellung von Intimität waren Luftküsse, mit denen sie ihre Freundinnen begrüßte –, folglich waren ihre Tränen vielleicht sogar tatsächlich echt. Ja, Davina gehörte zu den Blutsaugern, und ihr Bruder war ein brutaler, psychotischer Mörder gewesen, trotzdem war er immer noch ihr Bruder. Daher war es nur verständlich, wenn sie um ihn trauerte.
    »Niemand macht dir einen Vorwurf, Davina«, sagte April.
    »Danke, dass du das sagst, aber es ist natürlich kompletter Blödsinn. Alle anderen sehen es nämlich so. Ich kann es in ihren Gesichtern erkennen. Unsere Familie ist weiß Gott nicht die allertollste, und ich weiß, wie die Leute über uns reden, aber … Killer sind wir ganz bestimmt nicht.«
    Sie begann zu schluchzen.
    »Komm«, sagte April und sah sich im Café um. »Gehen wir.«
    Es lag auf der Hand, dass Davina komplett von der Rolle war, und April wusste nur zu genau, dass die echte Davina Osbourne, die Davina, die dicht unter der Oberfläche schlummerte, lieber sterben würde, als in Tränen aufgelöst in der Öffentlichkeit gesehen zu werden. Sie verließen das Americano und überquerten die Straße, die zum Waterlow Park führte.
    »Wie hält sich deine Mum?«, fragte April.
    »Für Mummy und Daddy war es ein schwerer Schlag. Eine Katastrophe, die in einer Familie einfach nicht vorkommt. Völlig ausgeschlossen.«
    Wollte sie damit andeuten, dass Vampire nicht starben und Bens Tod deshalb ein besonders schwerer Schock für sie war? Davina bemerkte Aprils verwirrte Miene.
    »Ich meine, so einen tragischen

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