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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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reden, bevor …«
    »Bevor was? Will er mich rauswerfen?«
    Silvia ließ ein perlendes Lachen hören.
    »Aber nein, sei nicht albern, Schatz. So ernst ist es auch wieder nicht. Nein, Charles hat mir sogar ein paar sehr kluge Lösungsvorschläge unterbreitet.«
    »Charles?«, wiederholte April. »Ihr seid also schon beim Du angelangt?«
    Unvermittelt flammten Bilder von Robert Sheldon und ihrer Mutter vor Aprils geistigem Auge auf – wie sie »gerade dabei« waren, wie Davina es ausgedrückt hatte –, nur dass diesmal Dr. Tame den Platz des alten Rektors eingenommen hatte. Ihr wurde übel.
    »Ach, nun übertreib doch nicht so«, sagte Silvia. »Es kann nur von Vorteil sein, sich mit diesen Leuten zu duzen, vor allem, wenn er dir so einen Riesengefallen tut.«
    »Einen Riesengefallen? Was meinst du damit? Dass er mich benutzt, damit die Welt von seinen brillanten neuen Lehrmethoden erfährt? Hast du etwa schon vergessen, wie mies er sich nach Dads Tod verhalten hat? Was er mir angetan hat?«
    »Wieso muss sich eigentlich immer alles nur um dich drehen, April?«, fragte Silvia ungeduldig. »Du bist nicht der Mittelpunkt des Universums. Dr. Tame versucht doch nur, dir ein bisschen unter die Arme zu greifen – und ehrlich gesagt höre ich im Moment sehr viel Gutes über die Lehrmethoden in Ravenwood, vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern. Ich habe mir sogar überlegt, ob du nicht vielleicht auch ein praktisches Fach wählen solltest.«
    »Herrgott noch mal, Mutter, kapierst du denn nicht, was sich hier abspielt? Direkt vor deiner Nase?«
    Aber natürlich kapierte sie es nicht. Wie sollte sie auch? Es war, als versuche man, ein Puzzle mit mehreren tausend Teilchen zusammenzusetzen, ohne eine Ahnung zu haben, wie das Motiv aussah. Ohne das Schlüsselelement – die Tatsache, dass Ravenvood von Vampiren verseucht war – hatte man keine Chance, Dr. Tames sogenannte »Lehrmethoden« zu durchblicken.
    »Was, April? Was spielt sich vor meiner Nase ab?«, fragte Silvia verärgert.
    »Gar nichts. Versprich mir nur, vorsichtig zu sein. Schließ Türen und Fenster, bevor du ins Bett gehst, und mach keine Spaziergänge allein, vor allem nicht bei Dunkelheit.«
    »Darum geht es also?« Silvia schien erleichtert zu sein. »Das ist sehr süß von dir, Schatz, aber ich komme schon zurecht.«
    »Gut«, meinte April verlegen. »Dann gehe ich jetzt mal.«
    »Ich habe gehört, du bist morgen Abend zu einer Party eingeladen.« Silvia nahm ihre Geldbörse aus der Handtasche. »Hier, kauf dir etwas Hübsches.«
    »Nein, Mum, ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt hingehe«, wandte April ein.
    »Natürlich gehst du hin, und es wird bestimmt toll.«
    Silvia drückte April ein paar Geldscheine in die Hand und musterte sie streng.
    »April Dunne, in den letzten sechs Monaten musste ich dich dreimal im Krankenhaus besuchen. Es war keine einfache Zeit, für keinen von uns, deshalb ist es umso wichtiger, dass du dich ein bisschen amüsierst. Genieße dein Leben, Schatz, und versteck dich nicht.«
    »Es ist doch nur eine Grillparty bei Ling.« Verdrossen registrierte sie jenen weinerlichen Tonfall, in den sie verfiel, wann immer sie mit ihrer Mutter redete.
    »Na gut, aber ich weiß doch, wie wichtig dir deine Freunde sind, deshalb gehst du auf jeden Fall hin. Amüsier dich, und pass du auch gut auf dich auf, verstanden?«
    »Okay, Mum.« Sie wandte sich zum Gehen. Noch immer war es ein komisches Gefühl, nicht mehr hier zu wohnen und ihre Mutter einfach im Stich zu lassen, wenn Silvia keine Ahnung hatte, in welcher Gefahr sie eigentlich schwebte. Andererseits war es vielleicht besser so – wollte man es tatsächlich wissen, wenn ein Tsunami geradewegs auf einen zukam und man keinerlei Chance hatte, vom Strand zu flüchten?
    »Ich werde Grandpa schöne Grüße von dir ausrichten, okay?«
    Silvia lächelte, doch das Lächeln reichte nicht bis zu ihren Augen.
    »Tu das.«

Vierzehntes Kapitel

    A uf der High Street herrschte um diese Zeit reger Betrieb. Leute mit Einkaufstüten, eine Frau mit einem Doppelkinderwagen, eine Gruppe Schulmädchen, die sich die Nase am Schaufenster eines Juweliergeschäfts platt drückten. April dachte an den Tag zurück, als sie das erste Mal hier gestanden hatte – es war ein regnerischer Sonntagabend gewesen, und sie hatte den Eindruck gehabt, mitten in einem Altersheim gelandet zu sein. Natürlich hatte sich die Situation am Ende als nicht ganz so schlimm entpuppt.
    Highgate hatte durchaus einiges

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