Der schlafende Engel
oder von Geburt an.«
Mit einer blitzschnellen Bewegung ließ Davina das Messer herumwirbeln und rammte es in die Tischplatte, wo es sich langsam hin und her bewegte.
»Oh Gott«, stieß April hervor. »Silvia wird ausflippen.«
Dreiundzwanzigstes Kapitel
S ie sah zu, wie die ersten Sonnenstrahlen über die Zimmerdecke krochen. Am liebsten hätte sie sie aufgehalten, doch sie bewegten sich immer weiter, Zentimeter um Zentimeter. Die Vampire würden niemals verschwinden, oder? Sondern immer wiederkommen. So lange, bis jemand sie endgültig aufhielt. Falls es überhaupt jemandem gelang.
Nachdem Davina sich wieder hingelegt hatte, war April neben Silvia geschlüpft, doch all die neuen Informationen und endlosen Fragen hatten es ihr unmöglich gemacht, die Augen zu schließen, ganz zu schweigen davon, Schlaf zu finden. Also hatte sie dagelegen, den Blick an die Decke geheftet, und versucht, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.
Konnte sie Davina trauen? Nein, natürlich nicht. Trotzdem war es verlockend. Davina verfügte über Insider-Informationen, und, was noch viel wichtiger war, sie hatte ein ähnlich großes Interesse, den König aufzustöbern, wie April. Außerdem kochte sie vor Wut, was sich als starke Waffe entpuppen könnte. Das Problem war nur, dass Davina zu den Vampiren gehörte. Und wer war schon so blöd und traute einem Vampir über den Weg?
Silvia regte sich neben ihr.
»Wie spät ist es?«, murmelte sie. »Oh Gott, scheint etwa die Sonne? Gibt es irgendeine Chance, einen Kaffee zu kriegen?«
April musste grinsen. Silvia hatte nicht allzu lange gebraucht, um Aprils Gegenwart wieder als selbstverständlich zu betrachten. Dabei hatte April ihr noch nicht einmal gesagt, dass sie wieder einziehen würde – offiziell blieb sie nur in dem Haus am Pond Square, solange Davina ein Dach über dem Kopf und eine Schulter zum Ausweinen brauchte –, aber insgeheim genoss sie Silvias Nähe und das, was bei den Dunnes als normales Familienleben durchgehen würde. April stand auf und tappte nach unten in die Küche, wo sie Davina vollständig angezogen und perfekt frisiert vorfand.
»Hey, du warst doch nicht etwa die ganze Nacht wach, oder?«, fragte April und strich sich verlegen das Haar glatt.
»Nein, Silvias letzte Flasche hat gewirkt«, antwortete Davina und hielt ihre Kaffeetasse in die Höhe. »Ich habe geschlafen wie ein Stein.«
»Wie schön, dass du so guter Dinge bist. Ich könnte gut und gern noch fünf Stunden Schlaf gebrauchen«, bemerkte April.
Mit einem dumpfen Platschen landete die Zeitung auf dem Dielenboden.
»Ich gehe schon«, sagte sie. »Könntest du mir einen Kaffee einschenken? Ich hoffe, er ist schön stark.«
Sie hob die Zeitung vom Boden auf – und erstarrte.
HORRORUNFALL WEGEN ÜBERHÖHTER GESCHWINDIGKEIT lautete die Schlagzeile mit dem Foto eines völlig zerstörten Wagens darunter.
Nicholas Osbourne, bekannter Geschäftsmann und Vorstandsvorsitzender des Pharmariesen Agropharm, kam gestern ums Leben, als er mit seinem Wagen in eines der Wahrzeichen der Gemeinde raste. Mr Osbourne fuhr mit seinem Maserati am gestrigen Abend in hohem Tempo durch Highgate, als er am Archway-Kreisverkehr die Kontrolle verlor und sich mehrfach überschlug. Ein alarmiertes Notarzt-Team aus dem nahe gelegenen Whittington Hospital kämpfte verzweifelt um sein Leben, doch Mr Osbourne erlag noch an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen. Berichten zufolge soll der Fahrer offenbar stark alkoholisiert und in Schlangenlinien gefahren sein. Gerüchten zufolge soll er seine mit 1,5 Millionen Pfund Jahresgehalt dotierte Position erst kürzlich verloren haben. Trotz wiederholter Vorwürfe, der Pharmariese vergifte mit seiner aggressiven Marketingstrategie für nicht verschreibungspflichtige Medikamente »eine ganze Generation«, verzeichnete das Unternehmen im vergangenen Jahr Rekordgewinne.
Davina saß immer noch am Tisch, als April in die Küche zurückkehrte.
»Gib her«, sagte sie und streckte die Hand nach der Zeitung aus.
»Ich halte das für keine gute Idee, Vina.« April hielt die Zeitung von sich weg. »Du bist schon aufgebracht genug.«
»Oh, ich werde gleich noch viel aufgebrachter sein, das kannst du mir glauben.«
Widerstrebend reichte April ihr die Zeitung und sah zu, wie Davina mit ausdrucksloser Miene zu lesen begann.
»Erinnerst du dich an das, was ich heute Nacht gesagt habe?«, fragte sie.
»Davina, du warst betrunken.«
»Betrunken oder nüchtern, völlig egal, ich werde
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