Der schlagende Beweis
den Hoffnungsschimmer wieder zum Verlöschen brachte. Niemand würde ihm glauben, wenn er von Vertuschungen und Verschwörungen daher faselte. Sie würden ihn für einen verrückten, verbitterten Mitarbeiter halten. So einen Spinner, der den Mann umbringt, der ihn gefeuert hat.
Eine Stunde sp äter brachte ein Beamter Daniel und seinem schlafenden Zellengenossen ein Frühstück in einer Papiertüte. Der Tattoomann schlief weiter. Daniel machte seine Tüte auf und nahm ein Weißbrotsandwich mit Fleischwurst, eine Orange und einen kleinen Karton Milch heraus. Er hatte keinen Appetit, und das Sandwich sah wenig einladend aus, doch Daniel wusste, dass er essen musste, um bei Kräften zu bleiben. Er hatte seine Mahlzeit kaum beendet, als ein Aufseher kam und ihm erneut die Handschellen anlegte, um ihn aus der Zelle zu führen. Das Gefängnis hatte eine Empfangsbescheinigung für seinen persönlichen Besitz einschließlich seiner Brieftasche ausgestellt. Für einen Dollar fünfzig durfte er sich eine Hygienebox kaufen, die Shampoo, Zahnpasta und eine Zahnbürste enthielt.
Der Aufseher nahm Daniel zum siebten Stock mit. Nicht weit vom Fahrstuhl wurde er durch eine Schleuse in eine zwei Etagen hohe offene Halle gef ührt. An einem Ende befand sich ein verglaster Aufenthaltsraum mit einem Fernseher. Entlang den W änden waren zwei übereinander liegende Reihen Zellentüren. Daniel wurde aufgefordert, sich auszuziehen. Der Aufseher nahm ihm den Overall ab und gab ihm Badeschuhe aus Plastik, einen Stapel rosafarbene Unterwäsche und Socken, eine blaue Baumwollhose mit elastischem Bund und ein blaues Überziehhemd mit V-Ausschnitt. Dann forderte er ihn auf, in Zelle 7C zu gehen. Die Zelle hatte ein zweistöckiges Hochbett. Ein muskulöser Hispano lag auf der unteren Pritsche. Er drehte sich zur Seite und starrte Daniel wenig interessiert an. In die Wand war eine Betonplatte eingelassen. Daniel sah, dass die Toilettenartikel seines Zellennachbarn sich am einen Ende der Platte befanden, und so legte er seine auf die andere Seite. Hinter dem Bett war ein über die ganze Wand reichendes niedriges Fenster mit Blick auf das Landgericht.
Sobald der Aufseher die T ür zugemacht hatte, sprach Daniel seinen Zellennachbarn an: »Wie gehts?«
»Okay«, antwortete der Mann und fügte mit schwerem Akzent hinzu, »Weshalb bist du drin?«
»Nichts Besonderes.«
Daniel h ütete sich, über seinen Fall zu sprechen. Jeder Zellengenosse war ein potenzieller Zeuge der Anklage. »Bei mir genauso«, antwortete der Mann mit einem verschmitzten Lächeln. »Isch heiß Pedro.«
»Daniel. Ich glaub, ich hau mich mal in die Falle.«
»Klar. «
Daniel erinnerte sich an etwas, das er das letzte Mal im Gef ängnis gelernt hatte. Bevor er auf seine obere Pritsche stieg, nahm er seine Zahnbürste an sich. Er schlief nicht, sondern verbrachte mehrere Stunden damit, an der Betonwand das Ende des Schafts zu einer scharfen Spitze zu wetzen, nur f ür den Fall, dass sein Zellenkamerad sich als weniger freundlich erweisen sollte, als es den Anschein hatte.
ZWEIUNDZWANZIG
»Ihre Anwältin ist da.«
Daniel war von der schlaflosen Nacht noch ziemlich groggy, und er brauchte eine Weile, bis er begriff, dass der Aufseher mit ihm redete.
»Was für eine Anwältin?«, fragte er.
»Was weiß ich? Gehts ein bisschen schneller?«
W ährend Daniel von seinem Hochbett herunterkletterte, fragte er sich, ob das Gericht ihm bereits eine Pflichtverteidigerin zugewiesen hatte. Der Aufseher brachte ihn in den offenen Bereich und durch ein Sicherheitstor zu einem langen Korridor mit einer Reihe von Besuchszimmern, in denen die Gefangenen und die Besucher durch ein dickes Glasfenster voneinander getrennt waren und sich per Telefon unterhielten. Eine Metalltür am Ende des Korridors führte in einen kürzeren Flur. Hier befanden sich auf der einen Seite zwei Kontaktbesuchsräume. Daniel konnte durch ein Fenster, das die halbe Wand einnahm, in das nächstgelegene dieser Zimmer sehen. Es war mit einem runden, in den Boden eingelassenen Tisch und zwei Hartschalenstühlen ausgestattet. Auf einem saß eine attraktive Frau mit schulterlangem schwarzem Haar. Als Daniel eintrat, schloss der Aufseher die Tür, und die Frau stand auf. Daniel war knapp unter einsachtzig, die Frau war fast so groß wie er und hatte die breiten Schultern und den drahtigen Körperbau einer Athletin. Sie trug ein herkömmliches Businesskostüm.
»Hi, Daniel«, sagte sie und streckte ihm die Hand
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