Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Schnell
Vom Netzwerk:
Stock eines hohen Gründerzeit-Altbaus im eleganten Vorderen Westen der Stadt einnahm. Das Haus gehörte der Familie, Andreas’ Eltern wohnten darüber, zwei weitere Stockwerke waren vermietet, das fünfte hatte Andreas für sich in Beschlag genommen. Wirtschaft, Finanzen und Steuern waren die eigentliche Domäne der Kanzlei, die dafür mehrere hoch bezahlte Experten beschäftigte. Nur der Juniorchef hatte sich auf Strafrecht kapriziert und noch einen weiteren Anwalt eingestellt, Björn Spohr, noch keine dreißig, aber bereits kahl werdend, einen Kopf kleiner als Andreas, dünn und mit einem wieselartigen Gesicht ausgestattet.
    Andreas’ Sekretärin in der abgeteilten Strafrechtecke im Erdgeschoss war auch erste Anlaufstation und Abwimmel-Instanz jenes privaten Unternehmens, das sich der Aufklärung ungelöster Kapitalverbrechen widmen wollte. Dabei handelte es sich um einen eingetragenen Verein mit der Bezeichnung » VAUKV   e.   V.«, was in Messing unter dem Kanzleischild stand, eine Abkürzung für, genau, »Verein zur Aufklärung ungelöster Kapitalverbrechen«. Intern wurde es »Fau-kah-fau-eh-fau« ausgesprochen. Der Verein war auf Anregung von Andreas’ Vater nach dem Triumph vor anderthalb Jahren gegründet worden, hatte selbst aber noch keinen Erfolg vorzuweisen.
    Bei diesem komplexen Fall sollte Björn Spohr als Andreas’ zweiter Mann fungieren und nahm daher zwar in einem Anzug, aber mit offenem Kragen neben Andreas Platz, der einen Dreiteiler trug und einen etwas schreienden Schlips umgebunden hatte. Am Kopfende ließ sich der Seniorchef ebenfalls im Dreiteiler nieder, weil er bei wichtigen Sachen über die Strafverfahren informiert werden wollte.
    Herbert Viehmann würde demnächst seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag feiern, dachte aber nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Im Gegensatz zu seinem Sohn war er schlank und sportlich. Er besaß einen scharfen Verstand, der mit Skepsis vor allem die Implikationen bedachte, die die Aktivitäten seines Sohnes in Bezug auf Politik, Gesellschaft und natürlich auf den Ruf der eigenen Kanzlei haben konnten. In den Kabinetten der aus Kassel stammenden hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner und Hans Eichel war er erst Justiz-, dann Innenminister gewesen.
    Auf der anderen Seite des Tischs nahmen Prinz, Desirée und Ollie Platz, von denen keiner auf Kleidung geachtet hatte. Ollie trug seine übliche Lederweste mit den vielen Taschen. Nur Andreas und Desirée hatten Papiere vor sich.
    Zwei Sekretärinnen brachten einige Kaffeekannen und rauschten wieder hinaus; ein Korb mit mehreren Brötchensorten, Tassen, Teller und Belag standen bereits auf dem Tisch. Nach der Begrüßung griffen Herbert Viehmann und Björn Spohr herzhaft, Andreas und Ollie etwas zögernd zu, daher wurden die ersten Beiträge kauend geäußert. Prinz und Desirée nippten nur am Kaffee.
    »Nach dem, was ich bisher weiß«, eröffnete der ehemalige Minister, »ist die Möglichkeit, dass er unschuldig sein könnte, völlig ausgeschlossen.«
    »Wir werden trotzdem so plädieren«, entgegnete Andreas mit Entschiedenheit.
    Sein Vater betrachtete ihn, erst verblüfft, dann mit gerunzelter Stirn. Er wusste, dass es selten Sinn hatte, seinen Sohn von etwas abbringen zu wollen. Bei seinem Freund Prinz hatte es überhaupt keinen Sinn, und auch der trug eine geradezu finster entschlossene Miene zur Schau. Das Mädchen daneben, etwas blass, wickelte eine Locke um einen Finger, zog so fest daran, dass die Fingerkuppe fast weiß wurde, und starrte blicklos ins Leere. Natürlich war dem alten Herrn klar, dass eine Frau von dreiundzwanzig Jahren kein Mädchen mehr war, aber für ihn wirkte sie einfach noch nicht erwachsen. Nur dieser seltsame Mensch namens Ollie, der selten etwas sagte, hatte eine unergründliche Miene im Gesicht.
    Sie schienen irgendetwas zu wissen, was ihnen schwer zu schaffen machte.
    »Wenn ihr verliert«, wandte er trotzdem ein, »ist das nicht nur schädlich für euren Ruf«, er nickte den beiden Anwälten zu und machte eine Kunstpause, »und den der Kanzlei, es ist auch schlecht für den Angeklagten. Bei einem Verbrechen aus Leidenschaft kann ein voll geständiger und Reue zeigender Angeklagter darauf hoffen, dass vielleicht nur Totschlag rauskommt. Aber wenn er auf unschuldig plädiert und sie ihn wegen Mordes verurteilen, muss er womöglich lebenslang sitzen.«
    »Das wissen wir, und das weiß er.«
    »Und er besteht trotzdem auf seiner Unschuld?«
    »Unbedingt. Wir glauben

Weitere Kostenlose Bücher