Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
über meine Frisur und meine Kleider.«
»Jetzt entscheidet er, und zuvor haben deine Eltern entschieden! Wann entscheidest du endlich selbst darüber, wasdu willst? Langsam verliere ich die Geduld, Samia. Ich versuche ja, dich zu verstehen, aber es gelingt mir nicht.«
»Ich gebe zu, dass das alles schwer zu verstehen ist, wenn man nie mit meinen Eltern zusammengelebt hat. Ich hoffe, dass ich eines Tages aus dieser Zwangslage herausfinde, aber ich weiß nicht, wann und wie.«
Zwei Stunden später kam mein Ehemann wieder nach Hause. Als er Amina sah, verfinsterte sich sein Gesicht, und er ging wortlos an ihr vorbei.
»Ich muss jetzt los. Sag mir Bescheid, wenn du zum Arzt musst oder Einkäufe erledigen willst«, sagte sie.
»Da liegst du falsch, Amina!«, mischte sich mein Ehemann zornig ein. »Samia geht nicht mit dir zum Arzt oder einkaufen, sondern mit mir! Und jetzt ist es genug! Raus! Verlass mein Haus!«
Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah zu, wie meine Freundin hinausging, ohne sich von mir zu verabschieden. Vom Fenster aus sah ich noch, wie sie mir bedeutete, sie anzurufen.
»Du hast meine Abwesenheit ausgenutzt, um wieder einmal ungehorsam zu sein!«, schrie Abdel mich an und schüttelte mich. »Wie oft muss ich noch wiederholen, dass ich diese Hure nicht bei mir sehen will?«
Er ohrfeigte mich und stieß mich gegen die Wand. Dann befahl er mir, ihm einen Kaffee zu kochen.
An diesem Abend kehrte er zu seinen üblichen Praktiken zurück, und es gab kein Entrinnen für mich: Schläge, Vergewaltigung und Beleidigungen. Noch einmal betonte er, dass er unseren Sohn meinen Eltern gegeben hätte, weil ich nicht in der Lage wäre, ihn zu erziehen. Wieder beschimpfte er mich als Abschaum, der nicht fähig wäre, einen Mann zu befriedigen. Seiner Meinung nach war ich ihm zu Dank verpflichtet, da er mich davor bewahrte, bei meinen Eltern zu verkümmern.
Mein Sohn fehlte mir so sehr. Täglich telefonierte ich mit meiner Mutter, um zu erfahren, wie es ihm ging. Doch eines Tages sagte sie, ich solle ihre Anrufe abwarten, um das Baby nicht zu verwirren.
Die Tage vergingen eintönig und traurig. Ich gehorchte meinem Ehemann, und dennoch wurde ich jeden Tag geschlagen und vergewaltigt. Mein Leben war vollständig seinen Launen unterworfen. Ich musste seine Ausbrüche schweigend ertragen.
Schließlich war ich so weit, dass ich mir wünschte, es möge ihm ein Unglück zustoßen. Sobald er das Haus verlassen hatte, hoffte ich, er möge nicht mehr zurückkehren, aber jeden Abend kam er wieder. Bereits das Geräusch des Schlüssels im Türschloss versetzte mich in Panik, denn ich fürchtete mich vor dem, was nun unweigerlich kommen würde.
Ich hatte ständig blaue Flecken. Wenn ich das Haus verließ, musste ich eine dunkle Brille tragen und Kleider, die meinen Körper vollkommen bedeckten, um keine erschrockenen Blicke auf mich zu ziehen.
Wenn ich aus dem Haus gehen wollte, musste ich Abdel um Erlaubnis fragen und ihm einen Grund nennen. Es kam vor, dass er mir die Erlaubnis gab, es später aber wieder vergaß. Dann folgte eine noch härtere Bestrafung als sonst, denn er behauptete, ich sei ohne sein Einverständnis ausgegangen.
Oft weckte er mich mitten in der Nacht, um mit mir zu schlafen oder mich aus unerfindlichen Gründen zu schlagen. Er warf mir vor, dass ich mich schlafend stellte, anstatt sein Begehren zu erahnen. Mehrmals glaubte ich, meine letzte Stunde sei gekommen, denn er erstickte mich beinahe mit dem Kopfkissen.
Immer wieder bat ich meine Mutter, besänftigend auf meinen Mann einzuwirken. Vergeblich. Auch wenn ich ihr sagte, dass er mein Leben bedrohte, meinte sie, das sei meine eigeneSchuld, denn ich ginge ihm auf die Nerven! Ich müsse selbst eine Lösung finden, damit er von mir abließe. Und ständig erinnerte sie mich daran, dass ich die Frau war und er der Mann, dem ich zu gehorchen hatte.
Als ich eines Morgens den Tisch für das Frühstück deckte, fiel mein Blick auf einen Scheck, den mein Vater offenbar für meinen Ehemann ausgestellt hatte. Es handelte sich um einen hohen Geldbetrag. Da dies innerhalb von drei Monaten der dritte Scheck mit der gleichen Summe war, bat ich meinen Ehemann um eine Erklärung.
»Das ist eine Art Gegenleistung«, antwortete er.
»Und wofür?«
»Zunächst einmal dafür, dass ich ihm eine große Last abgenommen habe, indem ich jetzt die Verantwortung für dich trage. Und außerdem sind sie glücklich, Amir bei sich zu haben.«
»Wenn ich dich richtig
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