Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
sag deinem Mann, dass die Ärzte nicht immer recht haben. Gott allein kennt das Baby im Mutterleib. Sag ihm, dass ich geträumt habe, du würdest einen zweiten Jungen bekommen.«
»Wie geht es Amir, Mama?«
Nach längerem Schweigen antwortete sie, er würde mittlerweile gut auf seinem Stühlchen sitzen und mit großem Appetit essen. Meine Mutter mochte es nicht, dass ich mich nach meinem Sohn erkundigte, aber sie wagte es nicht, es mir zu verbieten.
Ich nahm ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Auf Zehenspitzen schlich ich ins Haus, um ungesehen hineinzugelangen. Doch Abdel wartete bereits wie ein ausgehungerter Grizzly auf mich. Hasserfüllt sah er mich an. Eilig wollte ich ihm vom Traum meiner Mutter erzählen. Kaum hatte ich den Mund aufgemacht, warf mich bereits ein Faustschlag zu Boden. Immer wieder trat er mit den Füßen in meinen Bauch und schrie, dass er kein kleines Bastardmädchen wie seine Mutter wolle, bei dem er nicht einmal sicher sein könne, ob er der Vater war. Zum Schluss zerrte er mich an den Haaren ins Schlafzimmer, wo er mich vergewaltigte.
Während dieser Schwangerschaft folgten die gewalttätigen Ausbrüche meines Ehemannes dicht aufeinander, bis zur Geburt.
Meine Mutter kam für ein paar Tage zu uns, um mir zu helfen, doch Amir hatte sie nicht mitgebracht. Sie wollte ihn nicht verwirren, wie sie sagte! Bis zur letzten Minute hoffte sie, dass ich doch einen zweiten Jungen zur Welt bringen würde.
Doch diesmal hatte Gott meine Gebete erhört. Nach siebzehnstündigen Wehen brachte ich ein schönes kleines Mädchen zur Welt. Auch wenn ich die Einzige war, die es bewunderte, war ich glücklich, denn niemand würde es mir wegnehmen. Ich würde dieses Kind gegen alle verteidigen und es lieben, wie ich selbst gerne geliebt worden wäre.
Meine Mutter kam mit meinem Ehemann zu Besuch. Kritisch begutachtete sie meine Tochter.
»Die ganzen Schmerzen für so etwas!«, stellte sie boshaft fest. »Diese Kleine hat das Gesicht eines Engels, und ich denke, dass Gott sie schon sehr bald zu sich holen wird.«
»Gott hat sie mir geschenkt, Mama. Er wird sie mir bestimmt nicht wieder wegnehmen! Gott ist gut, und er weiß, wie sehr ich mir eine Tochter gewünscht habe, um sie zu lieben und zu streicheln.«
»Du wirst sehen, dass es die Hölle ist, eine Tochter aufzuziehen! Das ist die schlimmste Strafe, die Gott uns auferlegen kann.«
»Meine Tochter ist keine Strafe, sondern eher eine Wiedergutmachung. Ich habe geduldig gewartet, und nun ist mein Wunsch endlich in Erfüllung gegangen.«
Von meiner Antwort überrascht, drehte sich meine Mutter zu meinem Ehemann um.
»Abdel, was hältst du von der Art und Weise, wie deine Frau mit ihrer Mutter redet? Hast du ihr beigebracht, mir so zu antworten?«
»Deine Tochter hat vergessen, wozu du sie erzogen hast. Dagegen müssen wir etwas unternehmen. Ich habe ihr nicht beigebracht, ihre Mutter so zu behandeln, ganz im Gegenteil! Mir scheint, Madame Samia sind Flügel gewachsen, seit sie in Frankreich lebt.«
»Hör mir gut zu, Samia! Es macht für uns keinen Unterschied, ob du in Algerien oder in Frankreich lebst. Ich brauche deinem Vater nur eine Andeutung über dein Verhalten zumachen, dann komme, was wolle! Niemand wird um dich weinen, nicht einmal deine Kinder …«
Meine Mutter flog nach Algerien zurück, während ich im Krankenhaus war. Es gab ja keinen kleinen Jungen, den sie hätte mitnehmen können! Nach fünf Tagen verließ ich schweren Herzens die Klinik. Mir graute davor, Abdel mit meiner Tochter ausgeliefert zu sein. Alle anderen waren glücklich, als sie das Krankenhaus mit ihrem Kind verlassen konnten. Ich aber hätte alles gegeben, um noch länger bleiben zu können, denn dort fühlte ich mich in Sicherheit.
Damals hielt ich mich für die einzige Frau auf der ganzen Welt, die ein solches Martyrium durchlitt. Ich wusste nicht, dass auch andere Frauen der Gewalt ihrer Männer ausgeliefert waren.
»Ich hoffe, du bist nicht genäht worden!«
»Nur ein paar Stiche, viel weniger als bei der ersten Geburt.«
»Das kommt dir wohl sehr gelegen, nicht wahr? Was willst du? Soll ich mir vielleicht eine Geliebte suchen? Ich bin schließlich gläubig und fürchte den Zorn Gottes, also will ich diese Sünde nicht begehen!«
Ich wusste, dass mein Ehemann seine Bedürfnisse auch bei anderen Frauen stillte, und hatte keine Probleme, dies zu akzeptieren. Ich war sogar froh darüber, denn wenn er von einer anderen Frau kam, ließ er mich schlafen. So
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