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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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begriff auch, dass diese Drohung ein Mittel für ihn war, Macht über mich auszuüben. Fast jede Woche bekam ich zu hören, dass er mir die Kehle durchschneiden könne ! Noch heute bereitet es mir Albträume, wenn ich diese Worte vernehme. Es ist sehr erstaunlich, wie tief bloße Drohungen uns einschüchtern, wie sehr sie unser Leben prägen können!
    Ohne Wissen meines Mannes traf ich mich mit meinen neuen Freundinnen, besonders mit zwei Frauen. Eines Tages kam er nach Hause, bevor sie gegangen waren. Den beiden war sehr unbehaglich zumute, denn sie spürten, dass ich Angst vor ihm hatte.
    Eilig wollten sie aufbrechen, doch zu meiner großen Überraschung zeigte sich Abdel sehr zuvorkommend und bestand darauf, dass sie noch blieben, denn er habe ohnehin zu tun.
    Was mochte dieses Verhalten bedeuten?, überlegte ich argwöhnisch. Ich wollte mich keinesfalls zu früh freuen!
    Ich beneidete meine Freundinnen, die ohne Furcht zu ihrem Mann und ihren Kindern zurückkehren konnten.
    Am späteren Abend erschien Abdel wieder und wirkte heiter, beinahe ausgelassen! Er ließ Norah auf seine Knie springen, was nur sehr selten vorkam, und fragte mich nach den Namen meiner neuen Freundinnen.
    »Die eine heißt Soraya, die andere Salma«, antwortete ich beklommen.
    »Sag mir, welche Soraya und welche Salma ist. Die eine hat Stil, und die andere sieht aus wie eine Nutte. Ich will nicht, dass du die Frau wiedersiehst, die wie eine Nutte aussieht. Hast du verstanden?«
    »Gut, ich werde sie nicht wiedersehen.«
    Wie sollte ich meiner Freundin erklären, dass mein Ehemann mir den Umgang mit ihr verboten hatte, ohne den angegebenen Grund zu nennen?

8. Das dritte Kind
    Zum dritten Mal kündigte eine ausgeprägte Müdigkeit an, dass ich schwanger war. Ohne abzuwarten, bis mein Ehemann es von selbst bemerken würde, eröffnete ich ihm die Neuigkeit – je früher, desto besser, dachte ich. Seine Reaktion war relativ gemäßigt, während mich meine Mutter mit den üblichen Beschwörungen überhäufte.
    »Ich hoffe, dass du deinem Mann dieses Mal einen Jungen schenkst! Was hast du davon gehabt, ein Mädchen zur Welt zu bringen? Wolltest du, dass er dich noch mehr verabscheut?«
    »Nach Norahs Geburt hat er sich nicht anders verhalten als zuvor! Meine Tochter hat damit nichts zu tun!«, antwortete ich stolz. »Sie ist ein braves Kind und der Sonnenschein meines Lebens. Ich liebe meine Tochter und würde sie nicht gegen alle Jungen dieser Welt tauschen wollen!«
    »Ich finde, du hast seit einiger Zeit eine reichlich spitze Zunge«, erwiderte sie empört. »Gott sei Dank muss mein Enkel Amir deine Gegenwart nicht ertragen. Ich wusste, dass es meine Pflicht war, ihn weit weg von dir zu bringen, denn du bist nicht rein. Du verdienst es nicht, dass ein gläubiger Mann an deiner Seite lebt! Wenn du ein Mädchen unter dem Herzen trägst, so wünsche ich ihr und dir, dass ihr nicht mehr aus dem Wochenbett herauskommt.«
    Das Verhältnis meiner Mutter zu Mädchen war geradezu erschreckend. Ich konnte nie mit ihr darüber reden undwusste, dass ich ihr Verhalten niemals verstehen würde. Mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, dass ihre Beziehung zu mir sich letztlich auf Beleidigungen, Hass und Demütigungen beschränkte.
    Der Geburtstermin war im Winter, und man hatte abgemacht, dass ich anschließend meine Familie in Algerien besuchen sollte. Ich konnte es kaum erwarten, meinen Sohn wiederzusehen und ihm seine Schwester sowie das neue Baby zu zeigen. Ich vermisste meine Geschwister, doch mir war auch klar, dass gerade meine Brüder sich sehr verändert haben würden, denn sie waren mittlerweile zu Männern geworden!
    Das Erstarken des Fundamentalismus hatte in unserem Land und in meiner Familie tiefgreifende Veränderungen hervorgerufen. Die Frauen mussten jetzt außerhalb des Hauses den Niquab tragen, einen dichten schwarzen Schleier, der sowohl Körper als auch Gesicht verhüllt. Außerdem durften sie nur in Begleitung ausgehen.
    Die Mitglieder meiner Familie waren vermutlich noch radikaler als zuvor. Mein Vater schien in religiöser Hinsicht regelrecht fanatisch geworden zu sein. Da er bereits in den Jahren vor all diesen Veränderungen sehr streng mit mir umgegangen war, blickte ich der Begegnung mit ihm voller Sorge entgegen. Trotzdem konnte ich es kaum erwarten, mein Land, meine Familie und vor allem meinen Sohn wiederzusehen.
    Meine zweite Tochter Melissa war ein schönes Baby mit großen schwarzen Augen, das mich ebenso mit Stolz

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