Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
konnte wenigstens ruhig bis zum Morgen schlafen.
Wenn ich mit meiner Mutter über die Demütigungen und Vergewaltigungen sprach, denen ich bei Abdel ausgesetzt war, betonte sie stets, dass er nur sein Recht einforderte. Wenn ich klug wäre, würde ich einfach nur alles über mich ergehen lassen. Zum Teil hatte sie damit sogar recht, aber mein Körper spielte nicht mit. Es ekelte mich vor seinen Berührungen. Ich liebte ihn nicht, und dennoch forderte er Tag und Nacht Sex mit mir!
Ich durfte nicht vor ihm einschlafen und musste stets vor ihm wach sein. Ich musste erraten, wann der Herr Lust auf Liebe hatte, und ihm Tag und Nacht zur Verfügung stehen. Wenn ich dies alles beherzigte, stand mir die Bezeichnung der guten, gehorsamen Ehefrau und damit auch ein Platz im Paradies zu. Die Rolle des Fußabtreters für meinen Ehemann würde mich also auf direktem Weg ins Paradies führen, so viel war gewiss!
Doch ich wollte niemandem mehr als Fußabtreter dienen, weder meinem Ehemann noch meinen Eltern oder irgendjemand anderem!
Wie gerne hätte ich einen stärkeren Charakter besessen! Doch hier bei uns zu Hause überkam mich wieder das Gefühl der Ohnmacht. Ich dachte viel nach, konnte aber wenig tun.
Am Abend erzählte mir meine Schwester von ihrem Leben in der Familie. Sie war alles andere als glücklich! Aber trotz allem schienen meine Eltern ihr gegenüber toleranter zu sein, als sie es bei mir gewesen waren, und das teilte ich meiner Schwester auch mit, um sie etwas zu trösten. Sie hatte immerhin das Recht, ihre Freundinnen nach Hause einzuladen, was mir damals verboten war.
»Auch wenn du mit ihrem Verhalten nicht immer einverstanden bist, musst du versuchen, es nicht so ernst zu nehmen, und lernen, damit zurechtzukommen. Sonst leidest du nur noch mehr!«
Hier sprach die große, erfahrene Schwester, die der Jüngeren noch größere Probleme ersparen wollte.
Die Tage vergingen viel zu rasch. Ich versuchte jeden Augenblick zu genießen, den ich mit meinem Sohn und meiner Familie verbringen konnte.
Die religiöse Ausrichtung des Lebens war sehr viel ausgeprägter als früher. Am Freitag gingen alle meine Brüder und mein Vater zum Gebet. Zu diesem Anlass legten sie ihre weißen Djellabas an.
An den übrigen Tagen rief mein Vater zu Hause die ganze Familie zusammen, wenn die Zeit des Gebets gekommen war. Um kein Aufsehen zu erregen, schloss ich mich an. Abends erging er sich in moralischen Belehrungen und schärfte uns islamische Grundsätze ein. Dabei saßen die Männer vorne und die Frauen hinter ihnen.
Laut meinem Vater war es Gottes Wille, dass jeder seine ihm vorgeschriebene Rolle im Leben ausfüllte. Im Stillen ergänzte ich: Der Mann übernimmt die Rolle des Königs und die Frau die Rolle seiner Sklavin! Diese Rollenverteilung habe Gott für alle Zeiten vorgesehen. Ebenso habe Gott bestimmt, dass die Väter und Ehemänner die Verantwortung für ihre Töchter und Ehefrauen trugen, manchmal auch für mehrere Ehefrauen.
Was die Verschleierung anging, zog ich es vor, das Haus nicht zu verlassen, anstatt mich seinem Gebot zu beugen. Die beiden Wochen vergingen, ohne dass ich ein einziges Mal nach draußen gegangen wäre.
Während meines Aufenthaltes verfiel ich immer wieder in das Verhalten des kleinen, folgsamen Mädchens, das ich einst gewesen war. Mein Sohn nannte mich Samia, und ich musste mich damit abfinden. Denn ich hatte ihn zwar zur Welt gebracht, sonst aber nichts für ihn getan – wie meine Mutter mirschonungslos darlegte! Aus diesem Grund hatte ich auch kein Recht, mich in die Erziehung meines, pardon, ihres Sohnes einzumischen!
Würde mein Vater bereit sein, auf meinen Ehemann einzuwirken, damit er mich nachts schlafen ließ? Ich zögerte lange, ihn darum zu bitten, denn ich fürchtete mich vor seiner Reaktion. Da ich jedoch nicht viel zu verlieren hatte, beschloss ich, einen Versuch zu wagen.
Mein Vater war mit seinen Abrechnungen beschäftigt. Als er mich erblickte, legte er seinen Stift beiseite.
»Was willst du?«
Ich antwortete, dass es Probleme in unserer Beziehung gab und dass er mir helfen solle, eine Lösung zu finden.
Er legte seine Brille beiseite und ließ mich näher treten.
Die Worte kamen mir leicht über die Lippen. Nachdem ich ihm dargelegt hatte, was zwischen meinem Ehemann und mir ablief, brachte ich mutig meine Bitte vor:
»Es wäre mir lieb, Vater, wenn du meinem Ehemann sagst, dass er mich nachts nicht mehr schlagen soll und mich schlafen lässt.«
»Und warum
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