Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
schlägt er dich?«, fragte mein Vater ernst.
»Um mich aufzuwecken. Er ist der Meinung, dass ich zu jeder Stunde die Bedürfnisse meines Mannes zu befriedigen habe.«
»Wie kannst du es wagen, mit deinem Vater über sexuelle Probleme zwischen dir und deinem Mann zu sprechen? Wie tief bist du gesunken?«
Dann schlug er mir mit aller Kraft ins Gesicht.
»Erwarte nicht, dass ich ihm Vorschriften mache! Wenn ich mich einmische, dann nur, um ihn zu mehr Strenge dir gegenüber zu ermuntern! Ich sehe jetzt, dass ich viel zu milde zu dir gewesen bin!«, schloss er, um dann eine ganze Tirade von Beschimpfungen auf mich niedergehen zu lassen.
Dann kam der Augenblick der Rückkehr nach Frankreich. Bedrückt machte ich mich gemeinsam mit meinen beiden Töchtern auf den Weg. Ich ließ einen bösen Traum hinter mir, um in einen Albtraum einzutauchen.
Dabei sehnte ich mich nach einem selbstbestimmten Leben für mich und meine Kinder.
Aber die Wirklichkeit sah anders aus! Der Aufenthalt bei meiner Familie hatte mir eines in aller Deutlichkeit klargemacht: Ich konnte auf niemanden zählen, um etwas an meiner Situation zu ändern, außer auf mich selbst. Keiner meiner Angehörigen würde mich unterstützen.
Von jetzt an war es auch meine Pflicht, meine Töchter gegen jede Art der Diskriminierung zu verteidigen, der wir Frauen in traditionellen muslimischen Familien ausgesetzt waren. Ich dachte oft über ihre Zukunft nach und wünschte mir, dass sie die Möglichkeit hätten, einen Mann zu heiraten, den sie liebten!
Mein Ehemann erwartete uns am Flughafen. Wie gerne wäre ich mit meinen beiden Töchtern bis ans andere Ende der Welt geflohen! Als er Norahs Hand ergriff, raunte er mir zuckersüß ins Ohr:
»Gib zu, dass ich dir gefehlt habe, meine Hübsche! Heute Abend wirst du ein Fest erleben!«
Mir hatte überhaupt nichts gefehlt und er schon gar nicht!
Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, begann ich unsere Sachen auszupacken. Dabei entdeckte ich in unserem Schlafzimmer ein benutztes Kosmetiktuch neben unserem Bett. Mit einem solchen Beweisstück konnte ich Abdel verklagen. Da er den Vorfall nicht abstreiten konnte, wurde er aggressiv und erklärte, das ginge mich gar nichts an. Und dann ging er zum Gegenangriff über.
»Du hast doch garantiert einen Mann dort unten gehabt! Und ich bin sicher, dass du wegen ihm heute wieder nicht mitmir schlafen willst! Du hast dich dort amüsiert, nicht wahr? Erzähl mir, was ihr zusammen gemacht habt! Ist sein Schwanz größer als meiner?«
Panik überkam mich. Seine Eifersucht hatte sich noch verschlimmert. Wenn er außer sich geriet, musste ich das Schlimmste befürchten. Er steigerte sich in seine aberwitzigen Phantasien hinein, bis er sich nicht mehr in der Gewalt hatte.
»Bei anderen Männern benimmst du dich wie eine dreckige Hure«, brüllte er.
»Weck bitte die Mädchen nicht auf«, verlangte ich in ruhigem Ton. »Ich habe kein einziges Mal das Haus verlassen. Ruf meine Eltern an, wenn du mir nicht glaubst. Tu mit mir, was du willst, aber ich flehe dich um Gottes willen an, mich nicht zu schlagen!«
»Dass ich nicht lache! Ein Flittchen fleht zu Gott! Du wirst schon sehen, was die Männer mit Huren wie dir machen.«
Er warf mich aufs Bett. Nachdem er mir die Kleider vom Leib gerissen hatte, fesselte er mir Hände und Füße und verschloss mir den Mund mit einem Klebeband. Die ganze Nacht über machte er sich einen Spaß daraus, mich zu erniedrigen und zu schlagen. Dabei leerte er eine Flasche nach der anderen, bis er schließlich betrunken zu Boden fiel und einschlief. Ich war gefesselt, fror und hatte am ganzen Körper Schmerzen. Mitten in der Nacht hörte ich Melissa schluchzen, aber ich konnte sie nicht trösten.
Als Abdel am Morgen erwachte, sah er, dass ich immer noch gefesselt war. Ihm wurde klar, was er getan hatte; er band mich los und entschuldigte sich. Ich wandte den Blick ab und verkroch mich unter der Decke.
Damals versuchte ich zu begreifen, warum Männer ihre Frauen so niederträchtig behandeln konnten. Ich glaubte, dass die Religion für ihr krankhaftes Verhalten verantwortlich sei. Gott sei Dank sehe ich die Dinge heute mit anderen Augen.Mit der Zeit wurde mir klar, dass viele Männer sich so verhalten, weil sie ihre Frau lediglich als Gebärerin ihrer Kinder und als Sklavin betrachten.
An jenem Morgen ging Abdel früher als sonst aus dem Haus und sagte kein Wort. Hatte er eingesehen, dass er zu weit gegangen war? Würde er vielleicht sogar in
Weitere Kostenlose Bücher