Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
mit meinem Vater. Ich war neugierig auf unser neues Haus und wollte mich zudem von der Reise ausruhen. Schließlich rief Abdel nach mir. Offenbar ging es um etwas Wichtiges, denn es war mir nur sehr selten erlaubt, ihren Gesprächen beizuwohnen. Mein Vater musterte mich lange und eindringlich, bevor er zu seiner Rede ansetzte:
»Samia, ich spreche mit dir im Beisein deines Mannes, damit auch er hört, was ich von dir verlange. Er wird darauf achten müssen, dass du meine Forderungen erfüllst. Leg deine modischen Kleider ab! Ich will, dass du von jetzt an den Hidjab trägst. Deine Töchter dürfen weder enge Kleider noch kurze Röcke anziehen. Sie müssen ihren Körper unter weiten Hemden verbergen. Ich verlange, dass du deine Töchter nachunseren Sitten, unseren Traditionen und zur Ehrfurcht vor Gott erziehst.
Wenn du nicht gehorchst«, fuhr er fort, »erlaubt das Gesetz deinem Mann und mir, dich zu bestrafen, und niemand wird dir Beistand leisten. Wir sind hier nicht in Frankreich! Falls du nähere Erklärungen brauchst, sind wir zur Stelle, um dich zu leiten.«
Sprachlos vernahm ich diese Worte, die nur allmählich in mein Bewusstsein drangen. Ich war alles andere als einverstanden, und dennoch musste ich mich fügen. Die Falle schnappte zu. Nun war ich eine Gefangene – ohne jede Hoffnung, meinem Gefängnis jemals entrinnen zu können. In diesem Land war es für meine Töchter und mich unmöglich, in Freiheit und Frieden zu leben.
Nach dieser niederschmetternden Eröffnung fuhr Abdel uns zu unserem neuen Haus, das in einem militärisch abgeriegelten Viertel lag. In unmittelbarer Nähe kam es immer wieder zu terroristischen Übergriffen. Das Haus war im Kolonialstil gebaut und von beeindruckender Größe. Jeder erdenkliche Luxus war vorhanden, aber seine Mauern führten mir deutlich vor Augen, dass ich von nun an in einem goldenen Käfig lebte.
Ich wusste, dass meine Familie mir gegenüber unerbittlich bleiben würde. Für sie war ich die törichte Frau, die den Versuchungen des Bösen zu erliegen drohte. In meinem Ehemann sahen sie hingegen einen gläubigen Muslim, der mich vor der Hölle des Jüngsten Gerichts erretten wollte. Daher sprachen sie ihm das unumschränkte Recht zu, mich in jeder Situation zu maßregeln. Ich hatte es nicht besser verdient – ja, ich legte es sogar darauf an.
Sollte es meinem Ehemann nicht gelingen, mich zum Gehorsam zu bewegen, so würden wir beide in der Hölle landen: ich wegen meiner Sünden und er, weil er es nicht geschafft hatte, mich von meinen Fehlern abzubringen.
All das lieferte Abdel einen willkommenen Anlass, seine Macht über mich weiter zu missbrauchen. Eines Nachts erwachte er gegen vier Uhr, riss mich an meinen Brüsten hoch und warf mich aus dem Bett. Ich hatte eine Rippenprellung, außerdem schmerzten meine Brüste tagelang. Abdel warf mir vor, eingeschlafen zu sein, bevor ich meine Pflicht als Ehefrau erfüllt hatte. Er war gewalttätiger als je zuvor. Abend für Abend kam er betrunken nach Hause. Er schlug und vergewaltigte mich. Wenn ich den Schlüssel im Schloss vernahm, hatte ich das Gefühl, ein ausgehungerter Wolf wäre in sein Jagdrevier zurückgekehrt. Jeden Tag betete ich zu Gott, dass er in eine Schießerei geraten oder eine verirrte Kugel ihn töten möge. Ich sehnte mich nach dem Tag, an dem Soldaten mir die Nachricht von seinem Tod überbringen würden.
Wir hatten entsetzliche Angst vor ihm. Ich war am Ende, und meine Töchter litten furchtbar. Es gelang mir nicht mehr, seine Übergriffe vor ihnen zu verbergen. Sie versuchten mir beizustehen, was zur Folge hatte, dass sie kaum noch schliefen. Nachts standen sie auf und gingen ins Bad neben meinem Schlafzimmer. Wenn sie dann Schläge oder mein Weinen hörten, taten sie alles, was in ihrer Macht stand, um ihren Vater zu beruhigen.
Meine Situation verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Ich hatte meiner Mutter mitgeteilt, dass ich um mein Leben fürchtete. Eines Nachts fesselte mich Abdel und befestigte ein Klebeband über meinem Mund, sodass ich nicht schreien konnte. Als ich seinen hasserfüllten Blick sah, fürchtete ich, meine letzte Stunde hätte geschlagen.
»Du Hure, ich werde dich umbringen! Deine Bastardmädchen werden dich nicht hören können. Jetzt werden sie uns nicht mehr stören. Ich hoffe, du begreifst endlich, dass ich dein Gebieter bin und du zu gehorchen hast.«
Er vergewaltigte und schlug mich, bis er endlich erschöpft war.
»Hast du deine Lektion jetzt verstanden?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher