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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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Liebes, sei so gut und räum das Geschirr ab. Wyatt, hol mir bitte meinen grauen Pullover. Es wird ein bisschen kühl.« Als wir alle im Wohnzimmer waren – ich saß auf dem Sofa, Tilda auf dem Schaukelstuhl, Donald und Hans auf Stühlen, die sie aus der Küche mitgenommen hatten
– , sagte Donald: »Also, schießen Sie los, Hans. Erzählen Sie uns den Grund für die neun Hypnosen.«
    Meine Tante kam mit einem Tablett und verteilte Tee und Kekse, dann setzte sie sich neben mich. Hans biss von einem Keks ab, dann beugte er sich vor: »Ich habe früher oft geschlafwandelt. Mit zehn Jahren bin ich recht fleißig herumgewandert, könnte man sagen. Und das ging noch Jahre so weiter. Wir lebten in einem kleinen Ort. Ein bisschen größer als der Ihre hier, aber für ein Dorf in Deutschland ziemlich klein. Es ist nicht weit von München entfernt. Wir hatten ein kleines Haus. Meine Eltern sind gute Leute, wissen Sie, und ich fürchte, sie hatten es nicht leicht mit mir. Nachts war ich oft lange unterwegs. Meistens haben sie mich draußen auf der Straße gefunden. Einmal wollte ich gerade in einen Teich steigen und schwimmen. Ein paarmal haben sie mich im Garten eines Nachbarn gefunden.«
    »Sind Sie auch mal im Schlaf Rad gefahren?«, fragte mein Onkel. »Ich habe mich immer gefragt, ob das möglich ist.«
    »Nein, Rad gefahren bin ich nie, Mr. Hillyer«, antwortete Hans. »Zumindest hat mir niemand so etwas erzählt. Meistens sahen mich meine Mutter oder mein Vater einfach nur am Küchentisch sitzen, manchmal aß ich etwas, das ich mir aus dem Kühlschrank genommen hatte. Schließlich kaufte mein Vater zusätzliche Schlösser und verriegelte jeden Abend die Türen und Fenster. Aber ich wanderte weiter im ganzen Haus herum. Ich ging in jedes Zimmer. Am Morgen war ich meistens völlig erschöpft. In der Schule konnte ich mich kaum wachhalten. Schließlich wurde uns ein Hypnotiseur in München empfohlen. Ich ging neunmal hin, wie ich Tilda schon erzählt habe. Doch die Hypnose hat nicht geholfen. Es ging noch ein paar Jahre weiter mit dem Schlafwandeln. In Dänemark hörte
es dann auf. Ich habe in Dänemark kein einziges Mal geschlafwandelt. «
    »Dänemark?«, fragte mein Onkel.
    »Wir mussten aus Deutschland weg. Mein Onkel – der Bruder meines Vaters – hat schon in Dänemark gelebt. Er ist recht wohlhabend, ja, er unterstützt mich, damit ich an der Dalhousie University studieren kann.«
    »Von Deutschland nach Dänemark und weiter nach Kanada«, warf meine Tante ein. »Du meine Güte. Ich war noch nie weiter weg als Neufundland.«
    »Wir sind 1935 nach Dänemark geflüchtet. Die Reisen, die Adolf Hitler veranstaltet, sind die schrecklichsten der Welt – das hat mein Vater oft im Scherz gesagt«, erzählte Hans. »Mein Vater versucht die Dinge immer ein bisschen leicht zu nehmen. Meine Mutter ist da ganz anders. Sie glaubt immer, dass alles nur noch schlimmer wird. Sie sind eben sehr verschieden.«
    »Tilda hat Ihr Herzleiden erwähnt«, warf meine Tante ein. »Entschuldigen Sie meine Neugier.«
    »Ja, ich bin damit auf die Welt gekommen«, erklärte Hans. »Aber ich habe mich daran gewöhnt. Es gehört für mich einfach zum Leben.«
    »Nun, dann sieh zu, dass du nicht in Ohnmacht fällst, bevor du noch einen Keks gegessen hast«, bemerkte ich.
    »Ich werde mich bemühen«, meinte Hans und nahm sich einen Keks vom Teller.
    »Tilda«, sagte meine Tante, »warum holst du nicht das Criss Cross raus, dann könnt ihr drei noch ein bisschen spielen. Donald und ich müssen euch junge Leute jetzt allein lassen.«
    »Criss Cross?«, fragte Hans.
    »Wir sind die Einzigen in Middle Economy, die eins haben«, erklärte mein Onkel.

    »Nicht mehr lange«, warf meine Tante ein. »Reverend Witt hat auch eins bestellt. Er will es in der Kinderbibelstunde verwenden. «
    »Wissen Sie, Hans«, erläuterte mein Onkel, »das ist ein Brettspiel, das ein gewisser Alfred M. Butts 1931 erfunden hat. Er war Architekt und hat es ganz genau geplant und ein Modell davon auf ein Schachbrett geklebt. Es ist so ähnlich wie Kreuzworträtsel. Man muss senkrecht und waagerecht Wörter aus einzelnen Buchstaben legen, aber so, dass sie wie bei einem Kreuzworträtsel miteinander verbunden sind. Es ist nicht erlaubt, im Wörterbuch nachzuschlagen. Wir haben sowieso keins im Haus.«
    »Ich geh mit Hans die Regeln durch, okay, Pop?«, sagte Tilda.
    »Also, angefangen hat es damit, dass Constance ihre Jugendfreundin in St. John’s, Neufundland, besucht

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