Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
brauchen, ich besorge Ihnen alles.«
Fran drückte sich aus dem Sessel hoch.
Kittner wies mit dem Zeigefinger auf sie. »Ich habe die Akten sorgfältig studiert. Meinen Sie nicht, dass der Täter es auch auf Sie persönlich abgesehen haben könnte? Er hat Sie am Unterbacher See im Fokus gehabt, und nur Sie konnten diese speziellen Symbole entschlüsseln.«
»Das könnte sein, durchaus«, erwiderte Fran und begriff, dass sie Kittner vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Er beherrschte sein Handwerk.
»Sie bekommen Polizeischutz, keine Widerrede. Rund um die Uhr. Drei Schichten. Personenschützer vom LKA . Elite.«
Fran deutete eine Verbeugung an und fühlte Erleichterung. »Dagegen ist nichts einzuwenden. Ich danke Ihnen.«
Beschwingt verließ sie Kittners Büro, mit Senior und Albi im Schlepptau. Alles schien sich zum Guten zu wenden.
Albi wäre sicherlich nicht abgeneigt, ihren dritten Bodyguard zu spielen. Es kribbelte wieder angenehm in ihrem Bauch, als sie daran dachte, mit ihm im Bett zu liegen und zu kuscheln. Nach dem Sex.
Jetzt mussten sie nur noch den großen Unbekannten finden. Und das war nur eine Frage der Zeit.
*
Die Wohnung war leer. Mutter war nicht da. Das blanke Chaos herrschte. Die Bullen hatten alles verwüstet, jede Schublade herausgerissen, Matratzen aufgeschnitten, Holzdielen aus dem Boden gebrochen, wo sie einen Hohlraum vermutet hatten. In der Küche waren Fliesen von der Wand geschlagen. Alles lag übereinander, nicht ein Stück hatten sie aufgeräumt.
Jung hatte ihm erklärt, das sei rechtens, allerdings müssten die Schäden repariert werden, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt würde oder er in einem Prozess freigesprochen würde. Er müsse so oder so die Reparaturen veranlassen und dann die Rechnung ans Gericht schicken. Das könne gut ein bis zwei Jahre dauern, bis das alles bearbeitet sei und er sein Geld habe.
Und er hatte ihm noch etwas erklärt: Mutter war wirklich tot, und sie war an ihrer Krankheit gestorben. Sie waren in die Leichenhalle gegangen, sie hatten ihm ihren toten Körper gezeigt, es hatte ihm alle Eingeweide umgedreht, aber weinen hatte er nicht können. Warum hatte Luzifer nicht eingegriffen? Weil die Reinigung nur durch das Feuer der Trauer und der Schmerzen möglich war? Oder wollte Luzifer ihn prüfen, weil er, Lars Rüttgen, auserkoren war, von Luzifer zum neuen Lichtbringer erhoben zu werden?
Sein Arbeitszimmer war leer gefegt, alles hatten sie mitgenommen, nichts wollten sie ihm zurückgeben, bis das Gericht über ihn geurteilt hatte.
Er musste die Überlebenden seiner Kirche zusammenrufen, sie mussten handeln, sie mussten sich auf die Reise begeben, mussten Flüche und Zauber sprechen, es waren so viele, dass es Lars alleine nicht schaffen konnte.
Immerhin hatten sie ihm sein Handy wiedergegeben, nachdem sie den gesamten Inhalt irgendwo gespeichert hatten. Und sie ließen ihn nicht aus den Augen. Auf der Straße stand ein Zivilauto mit zwei Bullen drin, sie bemühten sich nicht einmal, sich zu verbergen. Aber das Tagebuch hatten sie nicht gefunden. Weil sie verblendet waren.
Vor acht Jahren, Lars war gerade zehn geworden, hatte er in Mutters Nachttischschublade nach Süßigkeiten gesucht, stattdessen das Tagebuch gefunden, aber nur wenige Seiten lesenkönnen: die Seiten, die Mutter mit einem Lesezeichen markiert hatte. Da stand, dass sein Erzeuger Friedrich von Solderwein war; dass Lars während eines satanischen Rituals gezeugt worden war; dass Solderwein glaubte, dass Luzifer die Welt befreien konnte, dass er das Joch des ewigen Egoismus von den Menschen nehmen könnte, wenn Gott und Satan wieder vereint würden, und dass dann das goldene Zeitalter anbreche und die Menschen endlich frei wären. Weiter hatte er nicht lesen können, Mutter hatte ihn überrascht, er musste das Buch schnell verstecken, doch sie hatte wohl alles bemerkt, denn als er das Tagebuch weiterlesen wollte, war es verschwunden gewesen.
Erst vor wenigen Monaten, als Mutter sich nicht mehr selbst helfen konnte, hatte er das Tagebuch im Keller wiedergefunden. Es war in einem Altpapierpaket versteckt, das schon viele Jahre dort gelegen haben musste. In Mutters klarer Handschrift stand darauf: »Ungelesen zu verbrennen«, was Lars natürlich nicht gemacht hatte. Er hatte das Paket durchsucht, das Tagebuch gefunden und in seinem Geheimversteck in einer Dokumentenschachtel abgelegt. Immer wieder wollte er es zu Ende lesen, aber die Angst, eine furchtbare Wahrheit über sich
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