Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Fabrik für Computerchips, zeigt auf Helena. Sie haben so eine Art Laufsteg installiert, anscheinend ist das der Weg, den die Polizisten gehen müssen, um den Tatort nicht zu zerstören. Sie werden sowieso nichts finden, außer Helena. Denn ich habe alle Spuren verwischt.
Fran beugt sich hinunter, verdammt, der Dicke verdeckt sie, ich kann ihr Gesicht nicht sehen, aber was ich sehe, ist, dass sie aufspringt und wild gestikuliert. Gut so, Fran, gut! Ich habe mich nicht in dir getäuscht.
*
Sie hatten den Wagen am Eingang zum Südstrand abgestellt, das Gelände war bereits weiträumig abgesperrt worden, der Erkennungsdienst war vor Ort.
Senior zeigte auf einen schwarzen Audi A6. »Böhrerjan ist da. Kennst du ihn?«
»Vom Hörensagen. Oberstaatsanwalt für Kapitalverbrechen? Seit zwei Jahren?«
Senior nickte. »Der jüngste, den wir je hatten. Er ist fünfunddreißig. Aber unterschätz ihn nicht. Er ist mit allen Wassern gewaschen. Und er will hundert Prozent Aufklärungsquote.«
»Wer will die nicht?«, fragte Fran gelangweilt. Das war nun wirklich nichts Besonderes.
Senior enthielt sich einer Antwort.
Sie gingen vorbei an dem kleinen Kiosk in den FKK -Bereich des Südstrandes.
Fran musste schlucken. Sie war schon oft hier gewesen, sie liebte es, nackt zu schwimmen.
Ein Beamter vom Erkennungsdienst wies sie an, auf keinen Fall den abgesteckten Pfad zu verlassen, und ließ sie durch. Laufbretter waren verlegt worden und führten in einer weiten Kurve zu einem dichten Gebüsch, das bis zum See hinabreichte und an der Abgrenzung zum Nacktbadebereich zurückgeschnitten war. Ein junger Mann kam auf sie zu, und Fran musste ein Grinsen unterdrücken. Bis auf die dunklen Ringe unter seinen Augen unterschied ihn nichts von einem Sänger irgendeiner Boygroup. Ein Schönling mit mittellangen gewellten hellbraunen Haaren, blauen Augen, schlank, der Schwiegermutterschwarm schlechthin.
Der Mann nickte Senior zu, dann wandte er sich an Fran. »Sigfried Böhrerjan, ich leite die Ermittlungen.« Er streckte ihr seine zartgliedrige Hand hin und lächelte warm.
Sie nahm sie, weich und trocken fühlte sie sich an, sein Griff war fest, aber nicht hart. »Franziska Miller, Abteilung Operative Fallanalyse beim LKA , zurzeit MOKO Boot.«
»Ja, ich habe schon von Ihnen gehört, und wir brauchen Sie hier dringend.«
Sein Lächeln verschwand und wich einem Gesichtsausdruck, der zwischen Trauer und Verzweiflung lag. Senior trat hinzu, die beiden nickten sich kurz zu.
»Wir kennen uns schon eine Weile«, sagte Senior.
»So ist es«, sagte Böhrerjan zu Fran und rieb sich die Augen, die gerötet waren, als habe er geweint oder lange nicht geschlafen.
Er holte tief Luft. »Das Opfer heißt Helena Meier, sechzehn Jahre alt.«
Senior runzelte die Stirn. »Gute Güte!«, stieß er aus.
Fran wappnete sich gegen eine Hiobsbotschaft.
»Leider ist es so, Herr Haller. Die Tochter von Oberstaatsanwältin Meier.«
Senior wurde blass, er machte eine Bewegung, als wolle er Böhrerjan in den Arm nehmen, ließ es aber bleiben, Böhrerjan räusperte sich, seine Lider flatterten ein paar Mal, er wischte sich eine Träne weg.
Also waren seine Augen tatsächlich vom Weinen gerötet. Er musste Helena Meier gut gekannt haben und ebenso ihre Mutter. Waren sie ein Paar? Fran wurde es heiß. Wenn es so war, dann war er befangen und hatte eigentlich nichts mehr hier zu suchen. Und er war nicht nur ein Zeuge, den sie vernehmen musste, ebenso wie Oberstaatsanwältin Meier, sondern beide gehörten automatisch zum Kreis der Verdächtigen. Sollte sie danach fragen? Sollte sie sich mit einer ganzen Kaste von Staatsanwälten anlegen? Besser nicht. Vielleicht kam er von selbst darauf, dass er den Fall besser abgab. Und wenn nicht, dann konnte sie immer noch intervenieren.
»Frau Miller, wenn Sie bitte …«
Böhrerjan zeigte auf das Gebüsch, Fran setzte sich in Bewegung, Senior im Schlepptau. Die weißen Gestalten des Erkennungsdienstes wichen zurück wie Gespenster und gaben die Leiche des Mädchens frei. Fran spürte ein leises Zittern im ganzen Körper, das sich im Bauch sammelte und in ihre Kehle schoss. Helena lag auf dem Bauch, Arme und Beine weit ausgestreckt, der Kopf mit dem Gesicht nach unten. An der rechten Hand fehlte der kleine Finger, der Rücken war übersät mit roten Linien.
»Die Linien postmortal«, sagte eine brüchige Frauenstimme hinter ihr, »der Finger, mit einer Zange über dem Grundgelenk glatt abgetrennt, vital, ebenso die
Weitere Kostenlose Bücher