Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Hitler oder Reinhold Messner. Friedel Frenzen ist Teil meines genialen Plans geworden, ich werde ihn unsterblich machen, seine armselige Existenz wird er zugunsten eines höheren Zieles, zugunsten höherer Weihen aufgeben.
Ich werde ihn mit seinem Vornamen ansprechen. Nicht um ihn zu demütigen, sondern um ihm Respekt zu zollen, um ihm nahe zu sein. Friedel ist ein seltenes Exemplar. Von Gestalt ist er geradezu mickrig, aber seine Stimme ist ein volltönender Bass, der eher dem Brustkorb eines Opernstars vonbeachtlicher Leibesfülle zugetraut werden müsste, aber nicht Friedel, der mit Müh und Not fünfundsechzig Kilo auf die Waage bringt und gerade mal einen Meter und zweiundsechzig Zentimeter misst. Trotzdem ist er kerngesund, seine Krankenakte hat keinen einzigen Eintrag, er ist durchtrainiert, das liegt an seinem Beruf. Niemand wird ihn vermissen. Sein Arbeitgeber wird am Montag einen Brief erhalten, in dem Friedel seine fristlose Kündigung ausspricht, voll Bedauern, aber Friedel wird seinem Chef mitteilen müssen, dass bei ihm eine schwere Krankheit diagnostiziert wurde und er die letzten Monate seines Lebens in der Karibik verbringen wird. Und er wird sich dafür entschuldigen, dass er nicht früher Bescheid gesagt hat und einfach so verschwindet. Er wird seinen Chef um Verständnis bitten, und sein Chef wird traurig mit dem Kopf nicken und vor sich hin brummeln, das Leben sei doch wirklich ein Schwein, und er wird nicht wissen, dass das Leben viel schlimmer ist als ein Schwein, es ist ungerecht und mörderisch und voller Schmerzen, vor allem für Friedel.
So kann ich in aller Ruhe mit meinem neuen Gast arbeiten und ihn zu Höchstleistungen anspornen. Ich betrachte mein Besteck: Die Elektroden. Die Nadel. Die Rippenschere. Gutes Werkzeug!
*
Fran tippte ihren Benutzernamen und ihr Passwort ein, drückte die Entertaste und starrte, wie alle anderen im Raum, auf den überdimensionalen Bildschirm. Nach ein paar Sekunden flimmerte es, dann erschien das Gesicht von Albert Neusen, der breit lächelte und sofort zu sprechen begann. Fran hatte ihn dem Team bereits angekündigt.
»Könnt ihr mich hören?«
Fran nickte, grinste und fragte: »Kannst du mich auch hören?«
»Laut und deutlich, und sehen kann ich dich ebenfalls.«
Fran nahm die Webcam, die vor ihr stand, und schwenkte sie durch den Raum.
»Das sind meine Kolleginnen und Kollegen. Ich stelle sie dir im Schnelldurchgang vor, mal sehen, was du behalten kannst.«
»Das hier ist Bruno Rheinstahl, unser Knochenmann. Er ist ein Multitalent, vereint den Mediziner, den Anthropologen und den forensischen Biologen in einer Person.«
Neusen pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Das liegt vor allem daran, dass wir nicht mehr Personal bezahlen können«, sagte Fran und drehte die Kamera ein wenig.
»Christine Austerlitz. Fallanalytikerin, Spezialgebiet Statistik. Gib ihr eine Zahl, und sie macht ein Universum daraus. Ganz nebenbei macht sie noch die Aktenführung.«
Fran machte zwei Schritte und hielt die Kamera Anleder vor die Nase.
»Ohne Psycho-Onkel kommen wir hier auch nicht aus. Günther Anleder. Er versucht ständig, aus diesem Haufen ein Team zu schmieden, und glaub mir, er hat den sichersten Job von uns allen.«
Leises Lachen lief um den Tisch.
»Im Ernst, er ist ein Guter. Ihn einfach nur ›Psychologe‹ zu nennen wäre zu kurz gegriffen. Ich weiß nicht, wie viele Fort- und Weiterbildungen er schon hinter sich gebracht hat.«
Fran ging um den Tisch herum.
»Diese junge Frau hier heißt Martina Schwartz, ist Programmiererin und geografische Fallanalytikerin. Sie arbeitet an erweiterten Algorithmen für die Eingrenzung und Einordnung von Täterräumen. Sie ist ein medizinisches Wunder und einlebendes Klischee zugleich, denn sie ernährt sich ausschließlich von Kaffee und Donuts.«
Fran setzte sich, stellte die Webcam vor sich ab.
»Unsere Chefin ist nicht da, die ist auf irgendeiner Konferenz, wo darüber sinniert wird, wie man mehr Geld einsparen kann. Jetzt kennst du das Team. Was können wir für dich tun?«
Neusen nickte bedächtig mit dem Kopf. »Ich will ja nicht schleimen, aber das ist jede Menge Kompetenz. Beeindruckend.«
Fran schwenkte noch mal die Kamera, damit Neusen sehen konnte, dass ihr Team Selbstbewusstsein besaß.
»Ich will ja auch nicht schleimen, aber das hast du gut erkannt.«
Neusen lachte, musste husten, räusperte sich und nahm einen Schluck Wasser.
»Okay, ich habe verstanden. Dann bin ich mal gespannt, was
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