Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Adepten lieber tot sehen, und dieses Arschloch von Böhrerjan hatte ihm genau in die Hände gespielt, hatte sich zum Mittäter gemacht. Natürlich würde die offizielle Lesart anders heißen: Marvin Mutoah konnte seine Schuld nicht ertragen und wählte den Freitod. Niemand hätte ihn davon abbringen können, und dass Rüttgen so reagierte, das hätte niemand voraussehen können … Wie ein Gift breitete sich das schlechte Gewissen in Frans Seele aus. Was hatte sie falsch gemacht? Was hatte sie übersehen? Was hätte sie anders machen müssen? Sie hätte Rüttgen gar nicht hierher bringen dürfen, sie hätte sich weigern müssen, hätte sich durchsetzen müssen, hätte Rückgrat zeigen müssen.
Sie sah sich Rüttgen an. Er zeigte keinerlei Regung, im Gegenteil, er schien zufrieden mit sich und der Welt zu sein. Eiskalt! So eiskalt wie ein Killer, der Menschen folterte und tötete, zum eigenen Vergnügen oder aus einer menschenverachtenden Überzeugung heraus. Fran verspürte den Impuls, ihm rechts und links mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen.Wie passte dieses Verhalten zu der Aussage von Jana Wolff, dass Lars Rüttgen ein guter Mensch war?
Rüttgen lächelte sie an. »Sie verachten mich, nicht wahr? Dabei habe ich Marvin nur beschützt. Sie hätten ihn den Rest seines Lebens eingesperrt. Jetzt aber ist er an der Seite unseres Herrn. Luzifer hat ihn bereits begrüßt und …«
»Halten Sie doch Ihr dummes Maul!« Fran erschrak vor sich selbst. Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte los.
Senior schloss sich ihr an. »Verdammte Scheiße«, sagte er und spuckte auf den Boden. »Er war sofort tot. Hätten wir es wirklich verhindern können, Fran?«
»Natürlich hätten wir das.« Fran hörte ihre eigene Stimme zittern wie bei einer alten Frau. »Wenn ich mitkriege, dass dieses Arschloch von Böhrerjan sich weiter in die Ermittlungen einmischt, dann werde ich jedes dreckige Detail an die Presse geben.«
Senior seufzte. »Ich glaube nicht, dass Böhrerjan noch die Stirn hat, weiter die Ermittlungen leiten zu wollen. Und wenn doch, dann kannst du Gift darauf nehmen, dass ich auf deiner Seite stehe. Dann werfe ich hin, mit einem echten Donnerschlag.«
Seniors Handy zwitscherte. Er nahm das Gespräch entgegen, hörte einen Moment zu, unterbrach die Verbindung und lächelte leise. »Unsere Gebete sind bereits erhört worden. Der Innenminister hat Böhrerjan mit sofortiger Wirkung von allen Aufgaben entbunden. Er wird sich verantworten müssen. Intern. Vorbeugendes Personalroulette. Böhrerjan ist erledigt.«
Fran verzog das Gesicht. »Zu spät.« Sie konnte nichts ändern an dem, was passiert war, so furchtbar es auch sein mochte, aber sie konnte weitermachen und aus den Fehlern lernen, lernen, dass sie selbst Entscheidungen treffen musste, dass sie handeln musste, wie sie es für richtig hielt. Noch einmal würdeihr so etwas nicht passieren. »Okay, Senior. Wir werden ja sehen, wie Kittner so ist. Zumindest wollte er auf meinen Vorschlag eingehen.« Sie schilderte Senior ihren Plan.
Der nickte anerkennend. »Das hätte funktionieren können.«
»Und jetzt ist der einzige Zeuge tot. Lass uns Lars Rüttgen weich kochen. Er ist der beste Kandidat, den wir haben, und alles spricht gegen ihn. Was ist eigentlich mit Kim Schmitt?«
»Sie steht für morgen früh zehn Uhr auf dem Programm. Sie wird alleine kommen, hat sie mitgeteilt. Und jetzt lassen wir Günther auf Rüttgen los.«
11. Montag
Lars konnte nicht schlafen. Immer wieder sah er Marvin vom Turm stürzen, hörte das Geräusch, fühlte den Schmerz. Was waren die Menschen doch Schwächlinge! Er hatte Marvin den größten Liebesdienst erwiesen, der möglich war: Er hatte ihn erlöst!
Unter der Decke hatte Lars seine Finger zum satanischen Gruß zusammengelegt. Eine Hand war wieder mit der Kette ans Bett gefesselt. Immer wieder murmelte er den achtzehnten Henochischen Schlüssel, der Luzifer herbeirufen sollte, immer wieder flohen die Worte aus seinem Gedächtnis, er jagte ihnen hinterher, fing sie, versuchte, sie in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.
Fast hatte er es geschafft, da öffnete sich die Tür, und Lars wusste, dass es nicht Luzifer war, der ihn besuchte. Er hoffte, dass es Jana oder Kim waren.
Aber es war ein älterer Mann, der sein Gefängnis betrat. Lars schätzte ihn auf Mitte vierzig, graue Rest-Haare, über die Glatze gekämmt, in dem lächerlichen Versuch, die nackte Kopfhaut zu verbergen. Das genaue Gegenteil
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