Der Schmetterlingsthron
gehört zu den Zwölf Städten. So war es also eine standesgemäße Heirat.
Diese Magd, Thanuda geheißen, war göttlich groß und schön. König Fusinian verliebte sich in ihr Bild und entsandte seinen Kammerherrn, der um ihre Hand anhielt. Sie erhob keine Einwände, obwohl sie erheblich größer war als ihr Freier. Die beiden wurden mit allem Pomp verheiratet und erlebten ein Glück, wie es Königsfamilien gewährt wird, die sich aus Staatsgründen verheiraten.
Kurze Zeit später kam es zwischen Kortoli und seinem nördlichen Nachbarn Aussar zu einem Krieg. Wie üblich ging es um ein kleines Stückchen Grenzland, und beide Parteien hatten bald mehr Blut und Geld aufgewendet, als der ganze strittige Landstreifen wert war. Aussar, das die Feindseligkeiten begann, schnitt dabei besser ab, da Filoman der Wohlmeinende, Fusinians Vater, in einem Anflug von Humanität, die Armee seines Landes reduziert und das Geld für sein Volk verwendet hatte, so dass in militärischen Dingen Kortoli hinter den anderen Zwölf Städten zurückgeblieben war.
Wäre Fusinian älter und klüger gewesen, hätte er Aussar das Grenzgebiet überlassen, in der Stille seine Armee verstärkt und sich schließlich gerächt – so aber stürzte er sich in einen Krieg, den er nicht gewinnen konnte. In drei Schlachten wurde er geschlagen, und es hieß schon, die Aussarier wollten in Kortoli einfallen, um Fusinian durch einen Marionettenkönig abzulösen.
In seiner Verzweiflung suchte Fusinian mit einer kleiner Eskorte eine Hexe namens Gloé auf, die in den unwirtlichen Grenzbergen zwischen Kortoli und seinem südlichen Nachbarn Vindium wohnte. Die Hexe hörte sich an, was der König zu sagen hatte, und erwiderte:
›Als patriotische Bürgerin von Kortoli werde ich Euer Majestät natürlich helfen. Doch da wäre noch die Frage meiner Lizenz.‹
›Wie bitte? Was soll das?‹ fragte der König.
›Es geht um keine geringe Sache, Majestät‹, erwiderte Gloé. ›Ich bin nicht freiwillig in den Untergrund gegangen. Dreimal habe ich Eurem Büro für Handel und Lizenzen einen Antrag gestellt, und dreimal bin ich abgewiesen worden. Man verlangt ein Diplom des Lyzeums von Metouro, dabei gehe ich schon seit sechzig Jahren meinem Beruf nach, heile die Kranken, beschwöre Geister, finde verlorene Gegenstände und schaue in die Zukunft.‹
›Was hat das alles mit der Gefahr zu tun, in der Kortoli schwebt?‹ fragte der König.
›Weil die Wirksamkeit der Zauberei vom Gemütszustand des Zauberers abhängt. Wüsste ich, dass mir Eure peniblen Beamten eine Lizenz ausstellen, würde meine Erleichterung die Erfolgschancen ungemein steigern.‹
Der König runzelte die Stirn. ›Ich greife ungern in die Verwaltungsarbeit meines Staates ein, aber in diesem Extremfall muss ich wohl meine Skrupel vergessen. Also gut, wenn Euer Zauberspruch wirkt, sollt Ihr Eure Lizenz erhalten.‹
Also versank die Hexe in Trance, wand sich und murmelte Unverständliches und ließ Schatten und Gesichter erscheinen, während dem König eiskalt wurde. Als die Schatten wieder verschwanden, sagte die Hexe:
›Wisset, o König, dass Ihr den Drachen Grimnor erschlagen müsst, der neun Meilen von hier unter einem Berg schläft. Dann müsst Ihr dem Ungeheuer jeden einzelnen Zahn ziehen. In einer Vollmondnacht sind diese Zähne auf einem umgepflügten Feld auszusäen, und dort wächst dann das Mittel, das Euch in die Lage versetzt, Aussar zu besiegen.‹
König Fusinian reiste also nach Westen, wo der Drache in einer Höhle schnarchte. Fusinian ahnte schon, dass Pfeile, Lanze oder Schwert nicht ausreichen würden, die Schuppen des Drachen zu durchstoßen – zumal er selbst kaum einssechzig groß war. Schließlich fanden der König und seine Männer einen großen Felsbrocken, den sie mit einem langen Seil über den Eingang von Grimnors Höhle hängten.
Dann trat Fusinian vor die Höhle und rief Grimnor eine Herausforderung zu. Der Drache erwachte und ringelte sich zischend aus der Höhle. Fusinian tat so, als ergriffe er die Flucht, und als er sah, dass der Kopf ein Stück vom Hals aus der Höhle ragten, zerrte er an dem Seil. Der riesige Felsbrocken stürzte herab und zerquetschte dem Tier den Kopf. Das wilde Zucken des Ungeheuers ließ den Berg erbeben und verursachte einen kleinen Erdrutsch. Doch schließlich rührte sich Grimnor nicht mehr.
Fusinian stellte fest, dass der Drache insgesamt einhundertachtundachtzig Zähne hatte. Vorsichtshalber hatte er den königlichen Zahnarzt
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