Der Schmetterlingsthron
Trimandilam …«
»Genau das brauche ich jetzt«, sagt Jorian.
»Nein, nein, ich habe dir doch gesagt …«
»Ohne Pülverchen kommst du mir nicht von der Insel. Ich halte dich hier bis zur Essenszeit fest; dann ist die Zugbrücke oben, und du kannst nicht mehr fort.«
»Aber wenn du später zu fliehen gedenkst, wie willst du das schaffen?«
»Überlaß das mir. Du kannst gehen, wenn du mir das Pulver gibst … Was ist das?«
Ein hohler Laut hallte durch das Gebäude. Karadur kreischte: »Das ist der Gong, der die Brüder zum Essen ruft! Lasst mich sofort gehen!«
Jorian streckte die Hand aus. Grollend reichte ihm der Zauberer das Päckchen, und Jorian sagte: »Gib Strasso Bescheid, dass er das Beiboot zur Küste schicken und auf mich warten soll.«
Die Lampen im großen Saal waren nun angezündet, und ein Feuer knisterte im großen Kamin. Überall standen Tische. Einige Brüder schlenderten gähnend herein, unter ihnen Khuravela, der Jorian zuwinkte.
»Dr. Karadur geht es nicht gut«, sagte Jorian hastig. »Er bedauert, auf das Schiff zurückkehren zu müssen, wo er seine Medizin aufbewahrt.«
Khuravela knurrte: »Von mir aus. Auch Euer Kapitän ließ ausrichten, dass er nicht teilnehmen kann. Hmph. Zu viele Leute halten sich für besser als andere.«
Jorian erhielt einen Kelch mit würzigem Wein in die Hand gedrückt und wurde nach Neuigkeiten aus den Zwölf Städten befragt. Er war in Versuchung, einen lebhaften Bericht von seiner Flucht aus Xylar zu geben, hielt sich aber zurück.
Als der Vorsitzende seinen Platz einnahm, setzten sich auch die anderen Brüder. Sie machten einen recht schweigsamen Eindruck, und nur Jorian saß neben einem hageren Mann, der ein geborenes Klatschmaul war.
»Sehr Ihr, wie sich Mehru an den Vorsitzenden heranmacht? Er möchte gern seinen Platz einnehmen. Er liegt uns dauernd in den Ohren, Khuravela sei nur noch eine alte knorrige Eiche ohne Saft und Kraft – und gewiss, niemand weiß so recht, was in unserem Vorsitzenden vorgeht. Andererseits achtet einmal auf Bruder Ghos dort drüben – der mit dem purpurnen Turban. Er führt eine dritte Gruppe an …«
Die Intrigen und Probleme dieser abgekapselten kleinen Welt wurden Jorian bald langweilig, und er beendete sein Mahl mit einer für ihn ungewöhnlichen Stille.
Als die Frauen die Teller fortgeschafft und die Tische abgewischt hatten, wurden die Brüder gesprächiger. Vorsitzender Khuravela gab ein Zeichen, und mehrere Männer verließen den Saal. Bald kamen zwei zurück, zwischen sich einen rot angemalten Henkerblock. Ein dritter Mann trug ein langes Seil mit einer Schlinge am Ende, ein vierter brachte eine Axt.
Jorian wandte sich an seinen Nachbarn: »Sagt mir, lieber Herr, wollen die Brüder jetzt ihre Fähigkeiten demonstrieren?«
»Aber ja!« sagte der Mann. »Ich dachte, Ihr wüsstet das!«
»Und die Sklavinnen dienen als – Demonstrationsobjekte?«
»Gewiss doch! An freien Männern wie Euch können wir nicht üben; das wäre ja ein Verbrechen! Haltet Ihr uns für Mörder?«
»Ist dies ein Wettbewerb?«
»Aye, die anderen Brüder werden die Qualität jeder Hinrichtung bewerten. Dank sei den Göttern für diese Abwechslung seit vielen Monden! Die Glücklichen wurden durchs Los bestimmt.«
Zwei Männer stolperten in den Saal; sie trugen eine Streckbank aus der Waffenkammer. Jorian stand auf und beobachtete Khuravela. Als dieser in seine Richtung blickte, hob Jorian den Arm und rief: »Herr Vorsitzender, darf ich das Wort ergreifen?«
»Sprecht!« knurrte Khuravela. »Seid still, ihr Schweine.«
»Meine Herren!« sagte Jorian. »Gestattet mir, Euch aus tiefstem Herzen für das schöne Mahl und die köstlichen Getränke zu danken. Ich habe diesen Abend sehr genossen und werde ihn nie vergessen, auch wenn ich Euer Alter erreichen sollte. Um nun Eure Freundlichkeit ein wenig zu vergelten, möchte ich eine Geschichte erzählen.«
Bei diesen Worten richteten sich die Brüder interessiert auf. Jorian trat in die freie Fläche zwischen den Tischen.
»Diese Geschichte«, begann er, »heißt die Geschichte der Zähne von Grimnor. Vor vielen Jahrhunderten soll in Kortoli ein kleiner, aber temperamentvoller und kluger König namens Fusinian geherrscht haben, Fusinian der Fuchs genannt. Als Sohn von Filoman dem Wohlmeinenden kam er schon ziemlich früh auf den Thron und heiratete die Tochter des Hochadmirals von Zolon. Wie Ihr wisst, ist Zolon eine Insel des Westlichen Meers vor der Küste Novarias und
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