Der Schmetterlingsthron
seid. Der Mann hegte keine bösen Gedanken, als ich ihn eben besuchte. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass er ein gerissener und dickköpfiger Herrscher ist.«
»Den Eindruck hatte ich auch, als er in Xylar war. Lebt wohl!«
Als Jorian erwachte, berichtete er Karadur von seinem neuesten Gespräch mit Tvasha. »Ich bin noch immer nicht sicher, dass wir freundlich empfangen werden«, sagte er. »Vilimir kam mir zu kaltblütig und realistisch vor, um sich von Dankbarkeit lenken zu lassen. Was würdest du mir raten?«
»Oh, Jorian, vertrauen wir uns ihm an! Nur so finden wir ein Schiff nach Tarxia, und meine armen Knochen halten dieses Herumgehüpfe im Sattel nicht mehr aus. Wenn wir den Stamm umgehen wollten, würde uns das mehrere Tage kosten, wir könnten zu spät kommen zum Konklave!«
»Also gut«, sagte Jorian und sattelte Oser. Gegen Mittag hatten sie das Hauptlager der Gendings erreicht, das auf einer kleinen Erhebung nördlich des Hafens von Istheun lag. Jenseits der Stadt spiegelte sich die Sonne in der Bucht von Norli, wo mehrere offene, kanuähnliche Schiffe zur ersten Frühlingsreise gerüstet wurden. Istheun selbst schmiegte sich um die innere Bucht. Eine Mauer aus groben Feldsteinen, auf der sich einige Windmühlen fleißig drehten, umgab die Stadt.
Die schwarzen Zelte der Gendings nahmen eine große Fläche ein. Außerhalb des Lagers übten einige Trupps Nomadensoldaten. Sie ritten Angriffe, täuschten Rückzug vor und schossen im vollen Galopp aus dem Sattel. Die Armee der Gendings bestand hauptsächlich aus leichtbewaffneten Kavalleriebogenschützen, doch wer es sich unter Cham Vilimir leisten konnte, gehörte einer Abteilung schwerbewaffneter Lanzenkämpfer an, die von Kopf bis Fuß in Ketten- oder Schuppenhemden gekleidet waren und große, teilweise gepanzerte Pferde ritten. Die hohen Militärs beobachteten das Exerzieren vom Rücken zahmer Mammute aus.
Niemand kümmerte sich um die beiden unscheinbaren Reiter, die vor dem großen rotschwarzen Zeltpavillon inmitten des Lagers abstiegen. Jorian wandte sich in Shvenisch an einen der Wächter.
»König Jorian aus Xylar möchte dem Großen Cham der Gendings seinen Respekt erweisen. Er kennt uns.«
»Sagtet Ihr König?« fragte der Wächter und musterte Jorian von Kopf bis Fuß. »Ich habe zwar schon Könige gesehen, aber noch nie eine solche Bettelgestalt mit einer klapprigen Eskorte auf einem mageren alten Esel.« Er war noch ein junger Mann mit langem blonden Haar, das er zu Zöpfen geflochten hatte, und einem Schnurrbart, der ihm links und rechts bis zu den Schlüsselbeinen herabhing.
»Die Tatsache bleibt dennoch bestehen«, sagte Jorian ruhig. »Hättet Ihr die Güte uns anzumelden.«
»Seine Schrecklichkeit ist bei den Truppen. Würde Eure mächtige Majestät im Vestibül Platz nehmen und warten?« Der Wächter verbeugte sich spöttisch.
»Wir danken Euch, Soldat.«
Der junge Mann lachte und wandte sich ab. Etwa eine Stunde später näherte sich eine Gruppe Gendings auf Mammuten dem Pavillon. Die Tierlenker ließen ihre riesigen Reittiere vor dem Zelt niederknien, bis die Reiter abgesprungen waren; die Männer traten ins Zelt, an der Spitze Prinz Vilimir mit einem goldbesetzten Helm, dicht gefolgt von Offizieren und Leibwächtern. Jorian erkannte das schmale, glattrasierte Gesicht sofort und stand auf. Vilimir stutzte und sagte: »Bei Greipneks Darm! Seid Ihr nicht Jorian, der König von Xylar war?«
»Durchaus, Eure Schrecklichkeit.«
Vilimir grinste wölfisch. »Also, das ist wirklich eine Überraschung! Wir erfuhren von Eurer Flucht aus Xylar – eine tolle Sache –, hätten Euch aber niemals hier erwartet. Tretet ein.«
Kurz darauf saßen sie auf Teppichen im Hauptzelt. Jorian wurde eine Flasche Ale gereicht.
»Und jetzt, ehemaliger König, was führt Euch nach Shven?« fragte Vilimir.
»Ein kleiner Gefallen für den heiligen Vater Karadur hier. Wie lange seid Ihr schon Cham?«
»Drei Monate, nachdem eine der Frauen meines Onkels den alten Schurken vergiftete. Da wir nicht feststellen konnten, wer die Tat beging, mussten wir sie alle töten, um der Gerechtigkeit willen.«
»Wie geht es der Horde?«
»Im Augenblick wappnen wir uns zum Krieg gegen die Eylings. Hnidmar braucht dringend einen kleinen Denkzettel. Aber erzählt von Euch.«
»Nun, zum einen hat mich Euer Wächter – der Junge mit dem langen Schnurrbart – recht unverschämt begrüßt.«
Vilimir zuckte die Achseln. »Ihr könnt nicht erwarten, dass ein
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