Der Schmetterlingsthron
einfacher Nomade einen Sessor wie einen Menschen behandelt.« Jorian blickte auf und überlegte, ob der Cham ihn ebenfalls beleidigen wollte. Doch Vilimir fuhr aalglatt fort: »Ihr müsst seltsame Dinge gesehen haben auf Euren Reisen durch den unbekannten Süden.«
»Das kann man wohl sagen!« Jorian begann einige Erlebnisse zu schildern, als er plötzlich von einer seltsamen Müdigkeit befallen wurde. Er hatte kaum noch die Kraft, seinen Kelch zu halten. Er versuchte weiterzuerzählen, doch die Zunge wurde ihm schwer. Misstrauisch blickte er seinen Gastgeber an.
Der Cham schnipste mit den Fingern, und eine Schlinge legte sich um Jorians Schultern, fesselte seine Arme. Mit einem unterdrückten Aufschrei sprang Jorian auf. Doch die Gendings am anderen Ende des Seils waren kräftig und wurden mit Jorians Angriff mühelos fertig.
»Was soll das?« knurrte er Vilimir an, der lächelnd zu ihm aufsah.
»Nun, wir brauchen Geld für unseren Krieg mit Hnidmar, und die Belohnung, die Xylar auf Eure Ergreifung ausgesetzt hat, kommt uns da gerade recht.«
»Ihr verdammter Verräter! Bei Imbals eisernem Schwengel! Ich hätte Euch ebenso zu Eurem Onkel zurückschicken können, als Ihr nach Xylar kamt!«
»Zweifellos; aber da Ihr ein dummer, sentimentaler Sessor seid, habt Ihr Euch die Gelegenheit entgehen lassen. Legt ihm Fesseln an!«
Schwere Handschellen aus Stahl, mit einer fußlangen Kette verbunden, wurden ihm um die Handgelenke gelegt und mit einem Schlüssel verschlossen.
»Beste tarxianische Arbeit«, versicherte Vilimir. »Ihr solltet Euch geschmeichelt fühlen.« Der Cham wandte sich an Karadur, der ihn zitternd ansah. »Und was nun mit Euch, Zauberer? Die Xylarier würden zweifellos auch gern den Magier wieder sehen, der ihrem Herrscher zur Flucht verholfen hat, aber da sie wie alle Sessoren sehr am Gelde hängen, fiele die Belohnung wahrscheinlich nicht besonders aus. Andererseits brauchen wir einen guten Zauberer. Der letzte musste sterben, weil er uns nicht sagen konnte, wer unseren Onkel vergiftet hat. Als dritte Möglichkeit könnten wir Euch den Kopf abschlagen lassen; vielleicht wäre das die einfachste Lösung. Wie lautet Ihre Wahl?«
»Ich … ich bleibe als Euer untertäniger Diener.«
Jorian warf dem Zauberer einen erbitterten Blick zu.
Der Cham sagte: »Brakki! Steck Herrn Jorian in die Grube und lass ihn gut bewachen. Denk daran, dass er sich aufs Fliehen versteht. Dann stell eine Eskorte zusammen – zehn Mann müssten genügen –, die ihn nach Xylar bringt. Wollen mal überlegen – Xylar hat sich mit Vindium gegen Othomae verbündet, Othomae mit Metouro gegen Govannian, Metouro steht mit Tarxia gegen Boaktis, Govannian mit Aussar gegen Metouro. Also ist Xylar mit Vindium, Govannian und Boaktis gegen Othomae, Metouro, Aussar und Tarxis verbündet, während Solymbria, Kortoli, Zolon und Ir neutral sind. Die beste Route führt also durch die Ellornas nach Boaktis, wobei tarxianisches Gebiet zu vermeiden ist, und von dort durch Solymbria und Ir nach Xylar. Ist das klar?«
»Ja, Eure Schrecklichkeit«, versicherte Brakki.
In diesem Augenblick knickten Jorian die Knie ein, und er sank bewusstlos zu Boden. Im Schlaf sah er sich wieder dem grünen Gott Tvasha gegenüber, doch diesmal näherte er sich nicht unterwürfig der Gottheit, sondern brüllte: »Warum hast du mich nicht gewarnt?«
Der grüne Gott stotterte: »Tausendmal Verzeihung, guter Jorian! Ich bin nur ein kleiner, schwacher Gott. Denk nicht böse von mir, ich bitte dich! Und nun Lebwohl, denn man raubt dir die kleine grüne Statue, und ich muss von nun an diesem schlimmen Cham dienen! Mögen dir künftig stärkere Götter zur Seite stehen!«
Jorian in ihrer Mitte, folgte die Eskorte den gewundenen Pfaden im östlichen Ellorna-Gebirge. Feuchtigkeit tropfte von den Bäumen, die das erste Grün sehen ließen. Frühe Blumen brachen aus der Erde. Wenn sich der Morgennebel verzog, erblickte man die höheren Gipfel links und rechts, noch mit Schnee bedeckt.
Die Ellorna-Berge und die Lograms weiter im Süden bildeten eine doppelte Barriere, zwischen der sich Novaria erstreckte, eine breite Landbrücke, die das nördliche Shven mit der Fedirun-Wüste und Mulvan im Süden verband und die zugleich das Innere Meer vom Westlichen Ozean trennte.
Die Existenz der Bergketten bescherte den Zwölf Städten Novarias ein ungestörtes Leben, so dass sie es sich leisten konnten, ständig miteinander im Streit zu liegen, trotz der Gefahr der
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