Der Schnee war schmutzig
auf einer Art Außenring, durch Viertel, die schon eigentlich nicht mehr zur Stadt, aber auch nicht zur Vorstadt gehören. Mehrmals sind Frauen mit ihrem Einkaufsnetz für eine kurze Strecke zugestiegen. Frank hat ihnen ein paarmal dabei geholfen, ohne daß der Mann ihn daran gehindert hätte.
Einen Augenblick hat er sich sogar gefragt, ob es nicht etwa eine Komödie sei, die Kromer oder Timo inszeniert habe, oder ein Racheakt des Kommissars Hamling.
Es war richtig, daß er diese Vermutung nicht ausgesprochen hat. Im allgemeinen ist er mit sich zufrieden, selbst jetzt, da er Zeit hat, die geringsten Einzelheiten genau nachzuprüfen. Andere hätten zweifellos Fragen gestellt oder sich entrüstet oder grobe Witze gemacht. Schlicht und würdevoll hat er seine Haltung der seines Begleiters, eines untergeordneten Beamten, eines einfachen Inspektors ohne besondere Anweisungen in seiner Angelegenheit, angepaßt.
Man hat ihm gewiß befohlen: »Bringen Sie uns diesen jungen Mann her.«
Und man hat hinzugefügt: »Aber Vorsicht! Er ist bewaffnet.«
Aus Gewohnheit hat er sofort gewußt, in welche Tasche Frank seinen Revolver steckte. Noch stolzer ist aber Frank darauf, daß er nicht begonnen hat, nervös eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Sobald er eine wegwarf, gebot er sich innerlich: Erst nach zwei Haltestellen rauchst du die nächste!
Sie sind in einem neuen Viertel ausgestiegen, das die Leute in der Stadt kaum kennen. Die Ziegel sind dort noch rosa und die Farben noch frisch, und unmittelbar gegenüber der Haltestelle standen große Gebäude mit einem Hof davor und einem hohen Gitter.
Es ist eine Schule. Wahrscheinlich ein Gymnasium. Am Eingangstor befindet sich ein Schilderhaus mit einem Wachtposten, aber das Ganze wirkt keineswegs finster. Genau gegenüber hat Frank ein kleines Café in der Art von dem Kamps gesehen, nur neuer.
»Wir müssen noch etwas warten. Wir sind zu früh gekommen.«
Seit den Worten, die er bei der Verhaftung an ihn gerichtet hatte, waren dies die ersten, die der Mann sagte. Er machte dabei ein besorgtes Gesicht, als ob er fürchtete, einen Fehler gemacht zu haben. Frank hat daran gedacht, daß er an anderen Tagen nie so früh hinunterging und daß er es an diesem Morgen nur getan hatte, weil in der Wohnung nichts mehr zu trinken war.
Ob Lotte schon Bescheid wußte? Und Holst? Und Sissy?
Er ist die ganze Zeit ruhig gewesen. Soviel er im Rückblick über sein Verhalten auch nachdenkt, er ist mit sich zufrieden. Es hat nichts Erschreckendes, einen Schulhof zu betreten, selbst wenn sich am Tor ein Schilderhaus mit einem Wachtposten befindet.
Sie haben sich nach rechts gewandt, haben ein paar Stufen erstiegen, und der Mann ist bis zu einer Glastür vorausgegangen, die er geöffnet hat, um Frank vor sich hineingehen zu lassen.
Es ist schwer zu sagen, wozu dieser kleine Raum früher gedient hat. Vielleicht war es die Loge des Pedells. Eine Bank steht darin, und ein Pult, das einer Theke ähnelt, teilt das Zimmer. Die Täfelungen und die Möbel sind hellgrau gestrichen. Der Mann ist in einen angrenzenden Raum gegangen, hat dort ein paar Worte gesprochen, ist dann zurückgekehrt und hat neben Frank Platz genommen.
Besonders froh scheint er nicht zu sein. Im Gegenteil. Er gehört zu den Traurigen, Übergewissenhaften. Er erfüllt seine Pflicht freudlos oder gegen seine Überzeugung. Immer noch hat er seinen Zigarrenstummel im Mund, der mit Speichel benetzt ist und zu stinken beginnt. Er sagt nichts, als Frank seine Zigarette auf dem Fußboden austritt und sich eine andere ansteckt.
Er ist einer von denen, die Frank minderwertig nennt, ein Mann wie Kropetzki, der nur auf der Welt ist, um Prügel zu bekommen. In dem Raum nebenan scheinen bedeutendere Leute zu sitzen. Die Tür ist offen geblieben, aber der Theke wegen, die den Blick versperrt, sieht man nur den oberen Teil. Frank und sein Begleiter sind zu einer stillen Zeit gekommen. Aber kaum brennt Franks Zigarette, da hört man das dumpfe Geräusch eines Faustschlags auf ein Gesicht. Man vernimmt jedoch kein Gewimmer, sondern nur die Stimme dessen, der geschlagen hat, oder eines anderen, der fragt: »Nun?«
Frank bedauert es, nichts zu sehen, wagt indes nicht aufzustehen. Er lauscht den Schlägen, die aufeinander folgen, aber nur einmal dem, der sie empfängt, ein leises Röcheln entreißen.
»Nun, du Schwein?«
Frank ist ruhig geblieben. Er ist dessen sicher. Er hat achtzehn Tage lang darüber nachdenken können, und er ist
Weitere Kostenlose Bücher