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Der Schneesturm

Der Schneesturm

Titel: Der Schneesturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Feuer dort entfacht.
    »Nu mal ran, der Herr!«, rief er ihn.
    Platon Garin hatte Mühe, vom Bock zu kommen. Es schüttelte ihn. Zähneklappernd, mühsam einen Fuß vor den anderen setzend, ging er hin und hockte sich in die Schneegrube, hätte sich um ein Haar ins Feuer gesetzt. Der Krächz hatte, während der Doktor schlief, einen dürren Busch gefunden und abgehauen, Zweige davon sowie die Splitter von der Bocklehne in Brand gesetzt; jetzt brach er das dickere Totholz und schob es in die Flammen, schirmte das Feuer mit seinem Körper gegen den Wind; allmählich kam es zwischen den zwei Kauernden in Gang. Der Wind gab sich Mühe, es wieder auszublasen, doch der Krächz ließ es nicht zu.
    Als es richtig brannte, streckte der Doktor die Hände in den Handschuhen über das Feuer. Der Krächz zog die Fäustlinge aus und hielt seine großen, unförmigen Hände daneben. So hockten sie, reglos, wortlos, nur hin und wieder das Gesicht verziehend, wenn der Rauchin die Augen geriet. Die Handschuhe des Doktors erwärmten sich, an den Fingern wurde es so heiß, dass es brannte. Der Doktor zog sie zurück. Dieser Schmerz, dieses Feuer besiegten die innere Kälte. Der Doktor konnte wieder klar denken. Er zog die Taschenuhr hervor: Viertel vor acht.
    »Wie lange hab ich geschlafen?«, fragte er.
    Der Krächz gab keine Antwort, er brach nur immer neues Holz und schob es ins Feuer. Sein von den wabernden Flammen erleuchtetes Vogelgesicht lächelte, so als wäre alles im Lot. Es sah nicht einmal sonderlich müde aus. Stille Freude zeichnete sich darin ab, Demut, ja, beinahe eine Art Dankbarkeit gegenüber allem, was ihn umgab: Sturm und Schnee, das verschneite Land, der düstere Himmel, der Doktor und das lustig im Wind flackernde Feuer.
    Als alles Holz heruntergebrannt war, schien die Kälte fürs Erste besiegt. Der Doktor fühlte die bei den Dopaminierern erworbene Munterkeit zurückkehren, er war bereit, weiterzufahren und den Kampf gegen den Schneesturm wiederaufzunehmen. Hingegen war der Krächz am Feuer schläfrig geworden und schien es durchaus nicht eilig zu haben.
    »Wo ist nun dieser Weg?«, fragte der Doktor im Aufstehen.
    »Da drüben«, antwortete der Krächz, die Augen halb geschlossen, mit hängendem Kopf.
    »Ja, wo denn?«
    Der Krächz deutete voraus, ein wenig rechterseits vom Bug des Mobils.
    »Na dann. Auf gehts!«, befahl der Doktor forsch.
    Der Fuhrmann erhob sich unwillig. Der Wind fuhr in die letzten brennenden Äste und verstreute sie. Der Doktor wischte den frischen Schnee vom Sitz und wolltePlatz nehmen, doch als er sah, wie der Krächz nach hinten ging und sich gegen die Lehne stemmte, um das Mobil von der Stelle zu kriegen, sprang er ihm bei.
    »Hü! Hü-hüh!«, rief der Krächz mit nicht sehr kräftiger Stimme.
    Die Pferde zogen kaum merklich an. Das Mobil bewegte sich so zögerlich vom Fleck, als wären da überhaupt keine Zugtiere in der Kaube, sondern einzig die zwei Menschen hinter der von der Axt verunstalteten Lehne, die sich abmühten.
    »Na? Wirds bald? Wi-i-ird’s?«, rief der Krächz.
    Das Mobil wurde nicht schneller. Der Krächz ließ das Schieben sein, fegte den Schnee von der Kaube, klappte sie auf.
    »Was iss mit euch?«, fragte er, in seiner Stimme lag Verdruss.
    Die Pferdchen, wie sie seiner ansichtig wurden, grummelten durcheinander. Man hörte ihnen an, dass sie müde waren und froren.
    »Ja, sagt mal. Hab ich euch etwa nich genug gefüttert?«, fragte der Krächz, zog einen Handschuh aus und fuhr den Pferden gegen den Strich über die Kruppen. »Hab ich euch nich gehegt und gepflegt? Was soll das, he? Wirds, wirds?«
    Er suchte die Pferde mit der Hand anzutreiben. Die Pferde warfen die Köpfe, fletschten die Zähne, prusteten und äugten.
    »Ihr seid doch unsre ganze Hoffnung, ihr kleinen Racker, ihr!«, sprach der Krächz und streichelte sie. »Iss doch nur noch son kleines Stück zu krauchen, he, und ihr wollt trödeln! Wirds bald? Wirds, wirds?«
    Dabei beklopfte er die Pferderücken.
    Der Doktor schwang die Arme, vertrieb sich die Zeit mit Gymnastik. Derweil beugte sich der Krächz nochtiefer in die Kaube hinein, hing über den Pferderücken, dass er sie beinahe mit dem Gesicht berührte.
    »Wirds bald? Wirds, wirds?«
    Die Pferde rissen die Mäuler auf, soweit das Zaumzeug es ihnen erlaubte, sie wieherten und schnappten spielerisch nach des Fuhrmanns Gesicht.
    »Erzählt mal, kommt, erzählt mir was!«, sagte der Krächz und griente.
    Einträchtiges Wiehern erfüllte die Kaube.

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