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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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Zurufen des Kleinen Lu im Garten umher jagt.
    Es wäre mir lieber, wenn Onkel Podger, statt den Reiher zu jagen, der niemandem etwas tut, den Garten von Katzen säubern wollte. Aber aus seinen Zusammenstößen mit Katzen ist er nicht immer als Sieger hervorgegangen, und so tut er nun, als gingen sie ihn nicht das mindeste an. Wie die meisten Chinesen (Menschen und Hunde) verliert Onkel Podger nicht gern sein «Gesicht».
    Seit jeher habe ich wenig für die Katzen der Nachbarschaft übrig, weil sie in den Garten kommen, um Vögel zu jagen. An einem Sommertag, als ich mir eben ein Schläfchen gönnte, wurde ich durch fürchterliches Miauen gerade unterhalb des Fensters geweckt. Verärgert über so viel Unverschämtheit ergriff ich den Revolver, der stets neben meinem Bett liegt, öffnete die Läden und schoß ins Gebüsch, ohne zu zielen und ohne den Eindringling zu treffen. Es war ein großer, schwarz-weißer Kater. Ich sah ihn schleunigst über die Mauer verschwinden. Aber am Abend war er wieder da und wandte den Blick nicht von meinen Tauben, die ahnungslos im Gras umherstolzierten.
    «Na warte, du Mistvieh», rief ich, «dich werde ich lehren, hier Vögel zu jagen!»
    Und ich holte mein Gewehr und gab einen Schuß auf ihn ab, allerdings nur Schrot. Zum zweitenmal an diesem Tag setzte er über die Mauer und verschwand; aber diesmal dürfte er doch ein paar Körner auf den Pelz abbekommen haben.
    Damit wäre die Sache eigentlich erledigt gewesen, doch es begab sich, daß ich beidemal die Alte Gebieterin aus dem Schlaf geweckt hatte. Lao Tai-tai fragte ihren Sohn nach der Ursache der wiederholten Schüsse, und Unvergleichliche Tugend erwiderte, der Große Mann habe zweimal nach einem schwarz-weißen Kater geschossen, dem aber nicht das geringste passiert sei. Das machte der Alten Gebieterin großen Eindruck, und sie äußerte die Vermutung, der Kater sei vielleicht deshalb unverletzt geblieben, weil er übernatürliche Kräfte besitze und infolgedessen gegen Feuerwaffen gefeit sei. Daraus gehe hervor, daß der schwarz-weiße Kater (so sagte wenigstens die Alte Gebieterin) ein überirdisches Wesen sein müsse.
    Indirekt zollte sie damit meinen Schießkünsten höchstes Lob, denn von der Möglichkeit eines Verfehlens wollte sie nichts wissen. Soviel Zutrauen verdiene ich gar nicht. In den seltenen Fällen, da ich zum Gewehr greife, schieße ich nur «Löcher in die Natur», verwunde sie also bloß im allgemeinen und fast nie in Einzelwesen ihrer Tierwelt.
    Am Tage nach dem Abenteuer mit dem Kater klingelte ich gegen fünf Uhr um meinen Tee, aber niemand erschien. (Das ist durchaus keine Seltenheit; die Fünf Tugenden führen ein ungemein geselliges Leben, an dem ich keinen Anteil habe.) Ich klingelte nochmals, und wieder kam niemand; so ging ich hinaus, um zu sehen, was los sei. Ich fand die Familie der Fünf Tugenden vor dem bronzenen Weihrauchbecken vollzählig versammelt, wo sie Weihrauch verbrannten und sich vor einem großen Blatt Goldpapier, auf dem senkrecht untereinander chinesische Schriftzeichen standen, demütig verneigten. Die Zeichen bedeuteten: «Mao Chan Chun Uè», das heißt soviel wie «Palast des Marschalls Kater».
    Die Alte Gebieterin waltete als Priesterin bei dieser Feierlichkeit, und ihre Familie schien viel zu vertieft, um mich zu bemerken. Nachdem ich mir das Schauspiel einige Minuten angesehen hatte, kehrte ich ins Arbeitszimmer zurück. Auf den Tee konnte ich warten.
    Als ich Kuniang das nächstemal sah, fragte ich sie, was das Ganze eigentlich heißen sollte. Sie erzählte mir, die Alte Gebieterin habe ihrer Nachkommenschaft strengstens anbefohlen, wo immer sie den schwarz-weißen Kater treffen sollte, sich vor ihm niederzuwerfen. Der Titel Marschall war ihm mit Rücksicht auf seine ungewöhnliche militärische Begabung verliehen worden.
    Aber diese Heiligsprechung nahm kein gutes Ende. Der Kater kam in der Nacht zurück und brachte zwei weiße Kaninchen um, die offiziell dem Kleinen Lu gehörten; indes hege ich den Verdacht, daß die Alte Gebieterin sie früher oder später zu verspeisen beabsichtigte. Inde irae...
    Solange die Mitglieder meines Haushaltes sich darauf beschränken, mit ihren Zauberkünsten den Geist kriegslustiger Kater zu besänftigen, die den Garten heimsuchen, darf ich mich nicht eigentlich beklagen. Aber leider Gottes greifen ihre okkultistischen Experimente auch auf menschliche Angelegenheiten über und sollen die verbreiteteren Forderungen der Hygiene ersetzen.
    Im

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