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Der Schneider himmlischer Hosen

Der Schneider himmlischer Hosen

Titel: Der Schneider himmlischer Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniele Varè
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esoterische Mystik und unerforschte Nebenwege des Wissens um die menschliche Seele.
    Und darum beschloß ich, als ich Paul an jenem Abend traf, um ihn zu einem Rout zugunsten des Roten Kreuzes zu begleiten, vorläufig weder vom Abt noch von den Träumen zu sprechen. Ein solches Thema hätte zur geschäftlich-modernen Atmosphäre eines Vertragshafens schlecht gepaßt.
    Wir nahmen vor dem Hotel Rikschas und erreichten nach etwa zehn Minuten unser Ziel, das jenseits des Flusses lag. Aber kaum hatten wir die Stätte betreten, auf der der Rout abgehalten wurde, traf jeder von uns Bekannte, und wir verloren einander bald aus den Augen. Erst später fand ich Paul wieder, er saß im Freien in der Nähe einer Jazz.
    Beim Wiedersehen in der Hotelhalle hatte ich ihn kaum verändert gefunden; jetzt aber, im Licht der Bogenlampen, war sein Gesicht blaß, und müde, und zum erstenmal fiel mir auf, wie leidend er aussah. Die Krankheit wurde allmählich sichtbar: in tiefen Ringen um die Augen, in scharfen Linien um den Mund und in dem müden, teilnahmslosen Ausdruck, der anzudeuten schien, das Leben sei gleichgültig geworden. Plötzliches Mitleid überwältigte mich, und ich nahm mir vor, Paul den Rest des Abends nicht mehr allein zu lassen, bis es an der Zeit wäre, heimzufahren.
    Die muntere Umgebung unterstrich noch Pauls Schlaffheit. Ringsum sah man Offiziere vieler Nationen: Engländer, Franzosen, Italiener, Amerikaner, Japaner. Ich erfuhr, daß unter den Militärs, die das Grigio-verde Italiens trugen, zahlreiche Exsoldaten der österreichischen Armee waren: Irredenti, wie Kuniang sie in Shan-hai-kwan gesehen hatte. Ein Freiluftkino zeigte Bilder von der italienischen Front, mit verschneiten Bergen im Hintergrund. Eine Schar Kinder, die eigentlich ins Bett gehört hätten, spielte um einen eben fertiggestellten Springbrunnen — eine Sensation für Tientsin —, dessen Strahlen in vier verschiedenen Bassins aufstiegen und herunterstäubten. Wie bei allen Freiluftveranstaltungen in China herrschte ein Sprachengewirr, das den Turmbau zu Babel hätte beschämen können.
    Paul wollte nicht Sitzenbleiben. Trotz seiner Krankheit hatte er das Fest besucht, und zwar mit der löblichen Absicht, für das Rote Kreuz Geld auszugeben; vorläufig aber war es ihm erst gelungen, an dreißig Dollar loszuwerden. Er ruhte eine Weile aus, dann machte er sich neuerlich an die Arbeit, Geld auszugeben.
    In einer der Verkaufsbuden waren Spenden ausgestellt, die im Lauf des Abends versteigert werden sollten: fast lauter Kriegs- und sonstige Andenken, aber auch vereinzelte chinesische Kunstgegenstände. Über dem Tisch, auf dem man die Spenden angeordnet hatte, hing vom Dach der Bude herab an einer Schnur ein elfenbeinerner Vogelkäfig.
    Paul warf einen Blick darauf und fragte, ob das Stück verkäuflich sei. Er bekam die Auskunft, daß es in etwa einer Stunde, also gegen Mitternacht, versteigert würde. Mit einem Seufzer der Ermüdung ging er vorbei. Dann kam ihm ein Gedanke, und er wandte sich an mich.
    «Würden Sie mir einen Gefallen tun? Ich bin so müde, daß ich nach Hause fahren muß. Wenn Sie noch bleiben — könnten Sie für mich den Käfig kaufen?»
    Er hielt mir ein Bündel Banknoten hin.
    «Was wollen Sie ausgeben?» fragte ich.
    «Keine Ahnung. Wieviel kann der Käfig erzielen? Ich habe etwas über tausend Dollar bei mir.»
    «An dreihundert dürfte er wert sein. Aber es ist schwer zu sagen, wieviel man bei einer Versteigerung zu patriotischen Zwecken dafür bieten wird.»
    «Das ist ja auch ziemlich gleichgültig. Machen Sie, was Sie für richtig halten.»
    Er übergab mir die Banknoten und schritt durch die hell erleuchtete Allee davon, an Gruppen von Offizieren und Damen vorbei. Das Gehen machte ihm Mühe, und sein Gesicht war verzerrt und hager.
    Am nächsten Morgen traf ich zu meiner Überraschung Paul beim Frühstück auf der Hotelterrasse, die auf die Victoria Road Aussicht hat. Er sah frisch aus und behauptete, schmerzfrei zu sein: die Krankheit gönne ihm öfter Atempausen.
    An schönen Tagen ist das Frühstück auf der Terrasse des Astor House ungemein unterhaltend. Man kann sehen, wie das ganze Gesandtschafts- und kaufmännische Personal Tientsins sich ins Büro begibt, zu Fuß, mit Rikscha oder Auto (es sind bei weitem die Höhergestellten, die zu Fuß gehen). Der öffentliche Park jenseits der Straße füllt sich allmählich mit Kindern und Amahs, die auf winzigen Füßchen umherwatscheln.
    Ich bestellte Tee und Eier zu

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