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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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väterlicherseits. Verheiratet mit Louisa, Tochter eines Rauhbeins hier aus der Zone und einer bibelschwingenden Lehrerin, macht bei der Panamakanal-Kommission fünf Tage die Woche die Drecksarbeit für den großen und guten Ernie Delgado. Zwei Kinder, Mark acht Jahre, Hannah zehn. Dank der Reisfarm kurz vor dem Bankrott. Pendel & Braithwaite, daß ich nicht lache. So eine Firma hat in der Savile Row nie existiert. Es hat nie eine Liquidation gegeben, weil es nichts zu liquidieren gab. Arthur Braithwaite ist eine große Gestalt der Literatur. Einen Schwindler bewundern. Das tun die Leute gern. Sie brauchen mich nicht so verdattert anzusehen. Ich bin Ihr Retter. Die Antwort auf Ihre Gebete. Hören Sie mich eigentlich?«
    Pendel hörte überhaupt nichts. Er stand mit gesenktem Kopf da, die Füße zusammen, bis zu den Ohren vollkommen betäubt. Dann raffte er sich auf und hob Osnards Arm bis in Schulterhöhe. Beugte ihn, so daß die Hand flach auf der Brust zu liegen kam. Legte das Ende des Maßbands in der Mitte des Rückens an. Führte es um den Ellbogen zum Handgelenk.
    »Ich habe gefragt, wer sonst noch dahintersteckt?« sagte Osnard gerade.
    »Wohinter?«
    »Hinter dem Schwindel. Wie der Heilige Arthur dem kleinen Pendel seinen Mantel um die Schulter legt. P & B, Hofschneider. Tausendjährige Geschichte. Der ganze Scheiß. Von Ihrer Frau natürlich abgesehen.«
    »Die hat nichts damit zu tun«, rief Pendel in blanker Panik.
    »Die weiß nichts davon?«
    Wieder stumm, schüttelte Pendel den Kopf.
    »Louisa weiß nichts? Die beschwindeln Sie auch?«
    Schweig stille, Harry. Kein Wort mehr.
    »Sie weiß also auch nichts von der kleinen dummen Sache damals?«
    »Wovon?«
    »Vom Gefängnis.«
    Pendel murmelte etwas, das er selbst kaum hören konnte.
    »War das ein Nein?«
    »Ja. Nein.«
    »Sie weiß nicht , daß Sie gesessen haben? Sie weiß nichts von Onkel Arthur? Weiß sie denn, daß die Reisfarm den Bach runtergeht?« Noch einmal nachmessen. Von der Mitte des Rückens zum Handgelenk, aber diesmal mußte Osnard die Arme gerade herunterhängen lassen. Pendel führte ihm das Band mit hölzernen Bewegungen um die Schultern.
    »Also nein?«
    »Ja.«
    »Dachte, sie ist Teilhaberin.«
    »Ist sie auch.«
    »Aber sie weiß es trotzdem nicht.«
    »Um die Finanzen kümmere ich mich allein.«
    »Ach nein. Mit wieviel stehen Sie in der Kreide?«
    »Knapp hunderttausend.«
    »Ich hab gehört, es wären schon über zweihunderttausend, Tendenz steigend.«
    »Stimmt.«
    »Zinsen?«
    »Zwei.«
    »Zwei Prozent im Vierteljahr?«
    »Im Monat.«
    »Abzahlung?«
    »Möglich.«
    »Wenn ich mir so Ihren Laden ansehe. Wozu machen Sie das überhaupt?«
    »Wir hatten hier eine Rezession, ich weiß nicht, ob das bis zu Ihnen gedrungen ist«, sagte Pendel und dachte unsinnigerweise an die Zeiten zurück, als er, selbst wenn er nur drei Kunden hatte, die Termine mit ihnen in halbstündigem Abstand zu legen pflegte, um eine gewisse hektische Atmosphäre zu schaffen.
    »Was haben Sie denn gemacht? An der Börse spekuliert?«
    »Unter Anleitung eines erfahrenen Bankmenschen, ja.«
    »Ihr erfahrener Bankmensch ist auf Konkursverkäufe und so was spezialisiert?«
    »Anzunehmen.«
    »Und der Kies kam von Louisa, richtig?«
    »Von ihrem Vater. Das heißt die Hälfte. Sie hat auch noch eine Schwester.«
    »Und die Polizei?«
    »Welche Polizei?«
    »Hier in Panama.«
    »Was soll die denn?« Pendel hatte endlich die Sprache wiedergefunden. »Ich zahle meine Steuern. Sozialversicherung. Ich führe meine Bücher. Noch bin ich nicht bankrott. Warum sollte sich die Polizei für mich interessieren?«
    »Wäre ja möglich, daß man auf Ihr Strafregister gestoßen ist. Daß man Schweigegeld von Ihnen verlangt hat. Wär doch schade, wenn man Sie rausschmeißen würde, bloß weil Sie die Bestechungsgelder nicht aufbringen können, oder?«
    Pendel schüttelte den Kopf und legte die Hand darauf, es sah aus, als wollte er beten, oder sich vergewissern, daß der Kopf noch da sei. Dann nahm er die Haltung ein, die ihm Onkel Benny eingebleut hatte, bevor er ins Gefängnis mußte.
    »Du mußt dich kleinmachen, Harry«, hatte Benny ihm eingetrichtert – ein Rat, wie er nur von einem Mann wie ihm kommen konnte. »Du mußt zusammenschrumpfen. Du mußt dich ducken. Ein Niemand sein, wie ein Niemand aussehen. Das bringt die anderen aus der Fassung, das weckt ihr Mitleid. Du bist nicht mal eine Fliege an der Wand. Du bist ein Teil der Wand.«
    Aber er war es bald leid, eine

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