Der Schneider
obersten Zollbehörde tätigen Bruders Reis und Kaffee aus Costa Rica importiert, ohne daß unsere überlasteten Beamten damit behelligt werden müssen.«
»Und zweitens?«
Pendel war rundum zufrieden: mit sich selbst, mit seiner Stimme, mit dem Gefühl seiner eigenen triumphalen Wiederauferstehung.
»Unser höchstrichterlicher Untersuchungsausschuß, der sich mit den gegen Miguel erhobenen Vorwürfen zu befassen hatte, ist zu dem klugen Schluß gekommen, es mangele der Anklage an Glaubwürdigkeit. Einhunderttausend Dollar für einen schlichten Mord hier in Panama wurden als maßlos übertriebener Preis erachtet, allenfalls eintausend seien angemessen. Und welcher erfahrene hochrangige Richter, der noch alle Tassen im Schrank hat, stellt wohl einem gedungenen Killer einen Namensscheck aus? Der Ausschuß kam zu dem wohlerwogenen Ergebnis, die Anklage sei ein primitiver Versuch, einem höchst ehrenwerten Diener seiner Partei und seines Landes ein Bein zu stellen. Es gibt hier bei uns in Panama ein Sprichwort. Die Gerechtigkeit ist ein Mann.«
»Und was ist aus dem Killer geworden?«
»Andy, als die ermittelnden Beamten ihn noch einmal ins Gebet nahmen, hat er ihnen dankenswerterweise ein zweites Geständnis geliefert; danach hatte er Miguel nie im Leben gesehen und seine Instruktionen von einem bärtigen Mann mit Sonnenbrille erhalten, den er während eines Stromausfalls im Foyer des Caesar Park Hotel ein einziges Mal getroffen hatte.«
»Niemand hat protestiert?«
Pendel schüttelte bereits den Kopf. »Ernie Delgado und eine Gruppe gleichgesinnter Menschenrechtsapostel haben es versucht, aber wie üblich ist ihr Protest auf unfruchtbaren Boden gefallen, wegen eines gewissen Mangels an Glaubwürdigkeit«, fügte er hinzu, noch ehe er selbst wußte, wie er das notfalls begründen sollte. Aber er gab einfach Gas wie der Fahrer eines flüchtigen Autos. »Schließlich ist Ernie nicht immer das, als was er hochgejubelt wird, das weiß man ja.«
»Wer weiß das?«
»Gewisse Kreise, Andy. Informierte Kreise.«
»Das heißt, er streckt auch die Hand aus wie alle anderen?«
»So sagt man«, erwiderte Pendel geheimnisvoll und senkte zur Betonung seiner Glaubwürdigkeit die Lider. »Ersparen Sie mir weitere Bemerkungen. Wenn ich nicht aufpasse, sage ich am Ende noch Dinge, die Louisa schaden könnten.«
»Und der Scheck?«
Pendel registrierte beunruhigt, daß sich die kleinen Augen, wie schon vorhin im Laden, zu schwarzen Punkten in Osnards ausdruckslosem Gesicht zusammengezogen hatten.
»Eine plumpe Fälschung, Andy, wie man von Anfang an vermutet hatte«, antwortete er und spürte, wie seine Wangen heiß wurden. »Der betreffende Bankkassierer wurde seines Postens enthoben, darf ich erfreulicherweise vermelden, also wird so etwas nicht wieder vorkommen. Und dann gibt es natürlich die weißen Anzüge, weiß spielt in Panama eine sehr große Rolle, größer als viele sich träumen lassen.«
»Was soll das denn heißen?« fragte Osnard, ohne den bohrenden Blick von ihm abzuwenden.
Es hieß, daß Pendel einen seriösen Niederländer namens Henk erspäht hatte, der ständig seltsame Händedrücke austeilte und in vertraulichem Tonfall über banale Dinge flüsterte.
»Freimaurer, Andy«, sagte er, inzwischen ernstlich bemüht, Osnards Blick auszuweichen. »Geheimgesellschaften. Opus Dei. Voodoo für die Oberschicht. Rückversicherung für den Fall, daß Religion allein nicht ausreicht. Hier in Panama ist man sehr abergläubisch. Sie sollten mal sehen, wie wir zweimal die Woche mit unseren Lotterielosen herumrennen.«
»Woher wissen Sie das alles?« fragte Osnard und senkte seine Stimme so weit, daß sie nicht über den Tisch hinausdrang.
»Aus zweierlei Quellen, Andy.«
»Und die wären?«
»Nun, zum einen die Gerüchteküche, wenn meine Kunden, wie sie es gerne tun, donnerstags abends rein zufällig in meinem Laden zusammenkommen, um sich bei einem Glas mal so richtig aussprechen zu können.«
»Und die zweite?« Wieder dieser bohrende Blick.
»Andy, wenn ich Ihnen sagen würde, daß die Wände meines Anproberaums mehr Geständnisse zu hören bekommen als ein Priester im Gefängnis, wäre das noch stark untertrieben.«
Es gab noch eine dritte, aber davon sagte Pendel nichts. Vielleicht war ihm gar nicht bewußt, wie sehr er dem verfallen war. Und zwar sein Schneiderhandwerk. Verbesserungen an Menschen vornehmen, sie zuschneiden und formen, bis sie verständliche Bewohner seiner Innenwelt waren. Sein
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