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Der Schneider

Der Schneider

Titel: Der Schneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carre
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imperialistischen Fantasien verwirklichten! Luxmore, der Osnards Anwesenheit einmal mehr vergessen hat, spricht zu sich selbst:
    »Die Amerikaner haben es wieder getan. O ja. Eine überwältigende Demonstration ihrer politischen Unreife. Ihres feigen Ausweichens vor internationaler Verantwortung. Der durchschlagenden Wirkung falsch angebrachter liberaler Bedenklichkeiten in der Außenpolitik. Wir hatten das gleiche Problem in der Falkland-Krise, wie ich Ihnen im Vertrauen sagen darf. O ja.« Er schnitt eine sonderbare Grimasse, verschränkte die Hände auf dem Rücken und hob sich auf die Spitzen seiner kleinen Füße. »Den Amerikanern reicht es nicht, daß sie mit Panama einen absolut hirnrissigen Vertrag unterzeichnet haben – den Laden einfach verschenkt haben, vielen Dank, Mr. Jimmy Carter! –, jetzt wollen sie den Vertrag auch noch einhalten ! Anders gesagt, sie wollen sich selbst und, noch schlimmer, ihren Verbündeten ein Vakuum hinterlassen. Unsere Aufgabe ist es, das auszufüllen. Sie zu überreden, es auszufüllen. Ihnen klarzumachen, daß sie sich falsch verhalten. Den uns gebührenden Platz am oberen Tischende wieder einzunehmen. Das ist die älteste Geschichte der Welt, Andrew. Wir sind die letzten Römer. Wir haben das Wissen, aber sie haben die Macht.« Ein listiger Blick in Osnards Richtung, ein Blick freilich, der auch die hintersten Winkel des Zimmers erfaßte – es hätte sich ja unbemerkt ein Barbare hineinschleichen können. »Unsere Aufgabe – Ihre Aufgabe – wird darin bestehen, die Gründe zu liefern, junger Mr. Osnard, die Argumente , die Beweise , die nötig sind, um unsere amerikanischen Verbündeten zur Vernunft zu bringen. Können Sie mir folgen?«
    »Nicht ganz, Sir.«
    »Das liegt daran, daß es Ihnen bis jetzt an den großen Visionen fehlt. Aber die kommen noch. Glauben Sie mir, die kommen noch.«
    »Ja, Sir.«
    »Zu einer großen Vision, Andrew, gehören gewisse Komponenten. Gut fundierte Informationen aus erster Hand sind nur einer davon. Der geborene Geheimdienstler ist ein Mensch, der weiß, was er sucht, bevor er es findet. Prägen Sie sich das ein, junger Mr. Osnard.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Er hat Intuition. Er wählt aus. Er probiert. Er sagt ›Ja‹ – oder ›Nein‹ –, aber er ist kein Allesfresser. Und er wählt nicht bloß aus, er ist sogar wählerisch. Ist das verständlich ausgedrückt?«
    »Ich fürchte nein, Sir.«
    »Gut. Denn wenn die Zeit reif ist, wird Ihnen alles – nein, nicht alles, aber einiges – enthüllt werden.«
    »Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Warten müssen Sie können. Geduld ist eine weitere Tugend des geborenen Geheimdienstlers. Sie müssen die Geduld des Indianers haben. Und auch seinen sechsten Sinn. Sie müssen lernen, über den Horizont hinauszublicken.«
    Zur Illustration richtet Luxmore seinen Blick wieder flußaufwärts, in Richtung der massigen Bollwerke von Whitehall, und runzelt die Stirn. Aber dann zeigt sich, daß sich sein Stirnrunzeln gegen Amerika richtet.
    » Gefährliche Zaghaftigkeit nenne ich das, junger Mr. Osnard. Die einzige Supermacht der Welt, durch puritanische Prinzipien eingeschränkt, Gott steh uns bei. Haben die denn nie vom Suezkanal gehört? Es gibt dort einige Gespenster, die sich aus ihren Gräbern erheben müssen! In der Politik gibt es keinen größeren Verbrecher, junger Mr. Osnard, als den, der davor zurückschreckt, rechtmäßige Macht auch anzuwenden. Amerika muß zum Schwert greifen, oder es geht unter und reißt uns mit in den Abgrund. Sollen wir einfach zusehen, wie unser kostbares westliches Erbe den Heiden auf einem Tablett serviert wird? Zusehen, wie der Lebensnerv unseres Handels, unsere Handelsmacht, immer mehr geschwächt wird, während die japanische Wirtschaft aus der Sonne auf uns niederstürzt und die südostasiatischen Tiger uns zerfleischen? Ist das unsere Rolle? Denkt so die Generation von heute, junger Mr. Osnard? Schon möglich. Vielleicht verschwenden wir nur unsere Zeit. Klären Sie mich bitte auf. Ich scherze nicht, Andrew.«
    » Ich denke nicht so, bestimmt nicht, Sir«, sagt Osnard inbrünstig.
    »Braver Junge. Ich auch nicht, ich auch nicht.« Luxmore unterbricht sich, sieht Osnard kritisch an und überlegt, wieviel mehr er ihm noch anvertrauen kann.
    »Andrew.«
    »Sir.«
    »Gott sei Dank sind wir nicht allein.«
    »Gut, Sir.«
    »Sie sagen ›gut‹. Wieviel wissen Sie?«
    »Nur was Sie mir gesagt haben. Und was ich seit langer Zeit empfunden habe.«
    »Während der

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