Der Schock: Psychothriller (German Edition)
sein letzter Atemzug sein. Die Garotte würde durch sein Fleisch schneiden, wie ein heißer Draht durch Butter glitt.
»Jetzt, wo ich dich habe, wird sie zurückkommen. Früher oder später wird sie dich suchen.« Er verstärkte den Druck. Jan ächzte und ihm wurde schwarz vor Augen. »Warum … sollte sie kommen?«, würgte er hervor.
»Gravitation«, flüsterte Fjodor. Sein Blick sprühte Funken.
Jan rang nach Luft, bäumte sich auf, doch die Folie hielt ihn auf dem Stuhl, als wäre er festgeklebt. Er sah Sterne vor einem schwarzblauen Himmel, in dem Leichen wie Geister schwebten.
Es war der Moment davor.
Und die Stille in diesem kurzen Augenblick war unbeschreiblich. Nichts war zu hören, kein Atem, kein Wind, kein Auto, kein Insekt, einfach nichts – außer seinem Herzschlag.
Und einem Schlüssel, der im Türschloss gedreht wurde.
Fjodors Kopf fuhr herum. Sein Griff lockerte sich, und Jan sog röchelnd Luft ein.
Die Tür schwang auf.
Jans Herz machte einen Satz.
In der Tür stand Laura, schwer atmend, mit verrußtem Gesicht, verfilzten Haaren und angesengter Kleidung. Um die Handgelenke trug sie Handschellen, in der Rechten hielt sie ein Schweizer Taschenmesser mit blutiger Klinge. Ein durchdringender Brandgeruch wehte in den Raum.
Lauras Blick streifte ihn, zuckte irritiert zurück und schien sein Feuermal zu suchen, dann fiel er auf Fjodor. Sie starrte ihn an, als sei er der Teufel persönlich. Aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick, das Jan nicht verstand. Es war weder Wut noch Angst, sondern vielmehr Schmerz.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich.
Sie öffnete den Mund und sagte: »Hallo, Vater.«
Kapitel 45
Berlin, 22. Oktober, 01:58 Uhr
»Oder soll ich Froggy sagen?« Lauras Atem pumpte. Das Sprechen fiel ihr schwer, ihre Zunge war trocken vom Ruß. »Ava hat einmal gesagt, dass sie dich früher so genannt haben.«
Ihr Vater starrte sie an, mit offenem Mund.
Laura konnte nicht anders, als zurückzustarren. Wie er da stand, in Weiß, den Kopf überzogen von diesem dämonischen schwarzen Zeug. Der Tätowierte war ihr so groß erschienen. Doch ihr Vater sah viel kleiner aus.
»Hallo, Laura«, flüsterte er rau.
Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Ihr Instinkt brüllte: Lauf! Doch davonlaufen ging nicht. Ohne Jan konnte sie nicht gehen.
Ihr Vater rührte sich immer noch nicht.
»Lass ihn los«, sagte sie. Ihre Finger umschlossen das Taschenmesser. Es war klebrig von Bucks Blut.
Ihr Vater ging um Jan herum, trat hinter ihn und zog warnend die Garotte um seinen Hals an. »Bleib, wo du bist.«
Laura schwankte und musste sich mit einer Hand am Türrahmen abstützen.
»Wie kommst du hierher?«
»Buck hat mich hergebracht. Ava wollte mich loswerden.«
Ihr Vater brauchte einen kurzen Moment, bis er den Zusammenhang begriff. »Gut, dass ich ihn getötet habe. Buck hatte schon immer ein mieses Naturell«, sagte er. »Woher weißt du es?«
»… es?«
»Wer ich bin.«
»Du kannst es noch nicht einmal aussprechen, oder? Du bist mein Vater, und ich kenn dich nicht mal. Für mich warst du immer unsichtbar.«
Er sah sie unverwandt an, doch seine Hände zitterten. »Hast du nicht das Geld gefunden, das ich dir ins Portemonnaie gesteckt habe?«
»Welches Geld? Ich dachte, du hast mein Portemonnaie behal…« Sie stockte, als ihr klarwurde, was das hieß. »Gandalf«, murmelte sie betroffen. Er musste ihr Portemonnaie genommen haben, als er ihr die nasse Kleidung ausgezogen hatte.
»Ah. Der Penner hat es sich unter den Nagel gerissen.« Ihr Vater verzog angewidert die Lippen. »Hätte ich mir denken können. Es wäre besser gewesen, wenn ich den schon früher erledigt hätte.«
Laura erstarrte. »Heißt das … Gandalf ist tot?«
Er schwieg.
»Also ja«, stöhnte sie. Ihr stiegen Tränen in die Augen. Gandalfs Verrat war schlimm genug, doch sein Tod riss ein Loch in ihr Herz. »Weißt du, wie oft er sich um mich gekümmert hat? Wie oft er mich gerettet hat?«
»Er hat dich bestohlen.«
»Und wenn schon. Was weißt du schon, wie es da draußen ist. Ohne ihn wäre ich damals untergegangen.«
In den Augen ihres Vaters flammte Zorn auf. Unwillkürlich lockerte er die Garotte ein wenig. Jan wagte nicht, sich zu bewegen. Auf seinem Hals zeichnete sich eine scharfe rote Linie ab.
»Was glaubst du, wo du ohne mich wärst?«, zischte ihr Vater. »Ohne mich gäbe es dich gar nicht. Weder deine Mutter wollte dich noch dein Großvater. Sie wollten dich bereits auslöschen, da warst du noch gar
Weitere Kostenlose Bücher