Der Schock: Psychothriller (German Edition)
ihm gemacht hast. Aber was immer es auch war, du hast es für dich gemacht. Nicht für mich! Für mich ist alles nur schlimmer geworden.«
»Ich war dein Schutzengel«, beharrte ihr Vater, als hätte sie nichts gesagt.
»Ich brauch keinen Schutzengel, verdammt!«, schrie Laura. »Erst recht keinen, der mich entführt. Ich hätte einen Vater gebraucht. Einen, der da ist. Einen, den ich sehen kann. Und anfassen!« Sie schluchzte. Ihr Blick fiel auf die bleichen Frauen, die um ihn herum schwebten. »Was tust du hier?«, flüsterte sie. »Was bist du nur für ein abscheuliches Monstrum?«
»Ich? Ein Monstrum?«, fragte er wütend. »Und was ist dann deine Mutter? Sie wollte ihr eigenes Kind umbringen! Und deine Großeltern? Und meine Mutter? Mein Vater? Der Chefarzt? Und was ist mit Buck? Und diesem Lehrer, Nolte?«
Laura blieb der Mund offen stehen.
»Starr mich nicht so an. Ich könnte ewig so weitermachen.«
»Du bringst diese Frauen um, und … Warum tust du das?«
»Weil ich es kann.«
»Weil du … was? «
»Weil ich es kann. Ich kann tun, was ich will. Niemand zieht mich zur Rechenschaft.«
Laura stockte der Atem. »Du tötest Frauen, weil du es kannst? Einfach so?«
Ihr Vater schwieg und sah hinunter auf Jan.
Jan wand den Hals in der Garotte, als wollte er etwas sagen, doch ihr Vater zog die Drahtschlinge so eng, dass nicht mehr als ein Ächzen aus seiner Kehle stieg.
Als ihr Vater wieder aufsah, bohrte sich sein Blick in ihren. »Jetzt, wo du endlich zurück bist, will ich wissen, woran ich bin.«
»Woran du bist?«
»Ich gebe dir die Chance, die Kontrolle über dein Leben zurückzugewinnen.«
»Ich hatte die Kontrolle über mein Leben«, flüsterte Laura, »bis du gekommen bist.«
»Nein. Er hat die Kontrolle. Sieh dich doch an. Wie du da stehst, ihn ständig angaffst. Wie du überlegst, was du tun kannst, um ihn zu retten. Du hast doch selbst schon hier gesessen. Und hast dich entschieden. Für ihn! Du hättest dir eher die Zunge abgebissen, als ihn zu verraten. Es ging um dein Leben! Seinen Namen gegen dein Leben. Und was hast du getan? Du hättest dein Leben für diesen Schwächling weggeworfen.«
»Was willst du?«
»Dich.« Seine Augen glühten förmlich, als er sie ansah.
»Was meinst du damit?«
»Komm her, zu mir. Tritt an meine Stelle. Es geht ganz einfach! Es ist nur eine einzige Sekunde. Ein einziger Ruck, und du bist frei. Schneid ihm den Hals durch!«
Laura erstarrte.
Jans Augen wurden groß. Angst spiegelte sich in seinen Zügen, und er suchte ihren Blick.
»Entscheid dich.« Ihr Vater stand da, mit gespannten Armen, die Griffe der Garotte in seinen Fäusten, und ließ sie nicht aus den Augen.
»Und wenn nicht?«
»Wenn ich dir das verraten würde, dann wäre es keine echte Entscheidung.«
Das Taschenmesser in ihrer Hand bebte. Hatte sie überhaupt eine Chance? Sie trug Handschellen und war so schwach, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte, geschweige denn Jan befreien.
»Komm her und tu es«, flüsterte er. »Es geht schnell, und danach bist du frei.«
Jan versuchte, den Kopf zu schütteln, und rieb sich dabei den Hals auf.
Sie tat einen unsicheren Schritt nach vorne, obwohl sie am liebsten davongerannt wäre. Sie wollte nur noch weg. Unter der Brücke sein. Oder am Meer. Wellen mit Schaumkronen. Warmer Wind. Rauschen. Das Messer in ihren Fingern fühlte sich glitschig an.
»Lass es fallen«, flüsterte er. »Du brauchst es nicht.«
Jans Blick sagte das Gegenteil.
Sie wollte das Messer nicht fallen lassen. Aber was hatte es für einen Sinn? Was konnte sie gegen ihn ausrichten? Sie tat einen weiteren Schritt auf ihn zu, stolperte, fing sich aber.
»Ich weiß, du kannst es. Du konntest es auch in Nordholm«, flüsterte er. Seine Stimme schien in ihrem Kopf zu sein, als wäre es ihre eigene. »Denk nicht an ihn. Denk an dich. Befrei dich. Das ist der einzige Weg zu überleben.«
Überleben. Das hatte sie auf der Straße gelernt. Und in Nordholm. Ich bin ich. Die anderen sind die anderen. Nimm dir, was du brauchst …
»Lass es fallen.«
Sie gehorchte. Öffnete die Hand. Klappernd fiel das Messer zu Boden. Er war jetzt so nah! Links und rechts von ihm schimmerten die weißen Leiber. In den Augen ihres Vaters sah sie einzelne Äderchen und in der Iris die Frauen wie kleine weiße Flocken.
»Du oder er!«, raunte ihr Vater.
Eine Rauchwolke zog über Lauras Schulter, gefolgt von einer heißen Welle Luft.
Sie mied Jans Blick und sah an ihm vorbei zur
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