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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Gedanken. Ihre Schultern bebten. Sie hatte ihre Hände durch die Ärmel gesteckt und versuchte mit zitternden Fingern die Knöpfe zu schließen, aber es gelang ihr nicht. Jan kniete sich vor sie, fasste behutsam das untere Ende der Knopfleiste und half ihr.
    Sie ließ es geschehen.
    Beim Anblick ihrer bleichen Haut musste er unwillkürlich an die Galerie denken, und ihn packte eine ungeheure Wut auf Fjodor. All diese Frauen entführt, umgebracht und in Harz gegossen zu haben zeugte von einer solchen Grausamkeit, dass es ihm den Atem raubte. Fjodor hatte sie nicht nur einfach getötet. Er hatte von ihnen Besitz ergriffen, sogar über den Tod hinaus. Bei dem Gedanken stockte er. Seine Finger, die automatisch weitergeknöpft hatten, erstarrten.
    Ihm wurde eiskalt. Plötzlich wusste er, dass er nicht auf die Polizei warten konnte. Nicht wenn er recht hatte mit dem, was Fjodor mit Laura tun würde. Die Polizei würde ihm nicht einfach zuhören. Sie würden Fragen stellen, und es würde kostbare Zeit vergehen. Zeit, die Laura nicht hatte.
    Er griff in seine Hosentaschen, tastete nach Gregs Wagenschlüssel und seufzte erleichtert, als seine Fingerspitzen den Schlüssel berührten.
    »Ich muss los«, sagte er mit rauer Stimme.
    Die Frau sah ihn verstört an, dann nickte sie.
    In der Ferne hörte er Sirenengeheul. »Die werden sich um Sie kümmern.« Mühsam erhob er sich. »Noch etwas. Der Mann, der Ihnen das angetan hat, er heißt Fjodor Bjely. Er wohnt in der Finkenstraße. Können Sie sich das merken?«
    »Bjely. Finkenstraße«, wiederholte sie matt.
    »Sagen Sie das der Polizei, bitte. Es ist dringend.«
    Sie nickte wieder.
    Jan war nicht sicher, ob sie ihn wirklich verstanden hatte, aber ihm blieb keine Wahl. Die Zeit lief. Er drehte sich um und ging Richtung Einfahrt. Kalte Luft strich über seinen freien Oberkörper, und er begann zu frieren. Am Tor schwanden ihm kurz die Sinne, und er musste sich an den schwarzen Gitterstäben festhalten. Auf der anderen Straßenseite standen die ersten aufgeschreckten Nachbarn, in Schlafanzügen, mit hastig übergeworfenen Mänteln, und sahen besorgt zum Feuer.
    Jan eilte längs der Mauer weiter, bis er den Cherokee erreichte.
    Zitternd hievte er sich auf den Fahrersitz.
    Der Motor startete gurgelnd.
    Er schaltete die Sitzheizung ein und drehte das Gebläse auf Heißluft. Der Schnitt in seiner rechten Hand machte sich mit einem stechenden Schmerz bemerkbar, als er die Automatik auf ›D‹ stellte. Er trat das Gaspedal, viel zu stark, so dass der Wagen vorwärtsruckte und auf die Straße schoss. Gerade noch rechtzeitig schlug er das Lenkrad ein. Die Felge kreischte, als er den gegenüberliegenden Bordstein touchierte. Dann hörte er das vielstimmige Sirenengeheul eines sich nähernden Löschzugs.
    Knapp 300 Meter weiter bog Jan scharf nach rechts ab. Er konnte sich nur einen Ort vorstellen, wo sich Fjodor sicher genug fühlen würde, um mit Laura das zu tun, was Jan befürchtete. Und er betete, dass er recht behielt, was den Ort betraf.

Kapitel 48
    Berlin, 22. Oktober, 02:32 Uhr
    Die Finkenstraße lag still unter der scharf gezeichneten Mondsichel. Das schwarze Tor der Bjely-Villa war geschlossen.
    Jan parkte den Cherokee hart an der Mauer. Als er ausstieg, zog ein kalter Wind über seinen nackten Oberkörper. Leise drückte er die Fahrertür zu. Im Heck des Wagens riss er den Erste-Hilfe-Kasten auf. Hastig wickelte er eine Mullbinde und Leukoplast um die Schnittwunde in seiner rechten Hand. Sein Blick fiel auf eine graue Decke aus Fleece, die zusammengeknüllt neben dem Radkasten lag. Mit der Verbandsschere machte er einen Schnitt in die Mitte, steckte den Kopf hindurch und band sie sich mit Leukoplast um den Oberkörper.
    Dann stieg er auf die Motorhaube des Cherokee, von dort auf das Dach und anschließend über die Mauerkrone. Das Gras raschelte leise unter seinen Converse, als er sich der Villa näherte. Das Haus ragte wie eine Festung vor ihm auf. Er fragte sich, ob die Bjelys eine Alarmanlage installiert hatten und wie Laura es wohl geschafft hatte, immer wieder in dieses Haus einzubrechen.
    Er hatte noch nicht einmal Werkzeug, geschweige denn eine Waffe.
    Unschlüssig blieb er mitten auf der Rasenfläche vor der Villa stehen. Ob Ava Bjely wusste, was ihr Mann trieb? Vermutlich war sie genauso ahnungslos wie Laura. Und da Ava Bjely an den Rollstuhl gefesselt war, gab es sicher Winkel und Räume in der Villa, die sie noch nie betreten hatte – sei es im Keller oder unter

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