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Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Der Schock: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Schock: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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sah immer noch sein Gesicht und die roten Augen, die in der Dunkelheit nachglühten wie Zigaretten. Die bleichen Körper der jungen Frauen umgaben sie in der Dunkelheit wie Gespenster.

Kapitel 7
    Berlin, 18. Oktober, 10:28 Uhr
    Die Tür in seinem Rücken krachte wie ein Schuss. Sein Kopf schien zu platzen. Das kann nicht wahr sein, dachte er. Das – kann – nicht – wahr – sein!
    Und doch saß Laura auf der anderen Seite.
    Er schlug sich abermals mit der Faust gegen den Schädel. Es klang dumpf, und die Knochen vibrierten. Er hoffte, der Schmerz würde ihn ablenken. Aber der Schmerz erinnerte ihn nur daran, dass alles real war.
    Er war so blind.
    Er dachte an Jenny, wie sie gewesen war – damals. Eigentlich dachte er immer an sie. Immer und bei jeder Frau. Und die Erinnerung war so lebendig, dass er sie greifen konnte.
    Der 31. Oktober 1977, das war der Tag der Tage gewesen. An diesem Tag hatte sich sein brennendster Wunsch erfüllt. Obwohl Wünsche sich nie erfüllten. Man bekam nicht einfach, was man wollte. Das war eine eiserne Regel.
    Er hatte an diesem Tag die Regel gebrochen.
    Er hatte Verkleidungen immer gehasst, von frühester Kindheit an, und ebenso sehr die Gelegenheiten, zu denen man sich verkleiden musste, wie zum Beispiel Karneval, wo jeder Idiot mit einem Kostüm und Schminke herumlief.
    Der 31. Oktober 1977 war auch so ein Tag gewesen: Halloween.
    Dass Halloween aus Amerika kam und es laut ›Buck‹ alias Bernhard Stelzer der neueste Schrei war, herumzulaufen wie ein Zombie, das hatte es keineswegs besser gemacht. Eigentlich sprach alles dafür, zu Hause zu bleiben. Nur ein einziges Argument sprach dagegen. Das Argument hieß Jenny. Jenny, die Unerreichbare. Sie war 17 und hatte runde feste Brüste, eine rosa Zunge, die so spitz war, dass er gar nicht daran denken durfte, und Hüften, die ihn hypnotisierten. Das war keine Übertreibung, ihm schwanden tatsächlich die Sinne, wenn er heimlich nach der Mitte ihres Körpers schielte, egal ob von der Seite, von hinten oder von vorne. Er konnte das stundenlang tun, ihr zusehen und sich dabei nach ihr verzehren.
    Und natürlich war Jenny auch auf der Halloweenparty von Buck Stelzer, dem Sohn des Chirurgen Dr. Stelzer, der einen solchen Haufen Asche durch seine Patienten verdiente, dass einem nur schwindelig werden konnte. Chirurg, das war ein guter Beruf – Leute aufschlitzen und auch noch Geld dafür kassieren. Angeblich hatte Dr. Stelzer seine Schlitzerei in den USA perfektioniert, was es ihm möglich machte, noch mehr Geld als seine Kollegen dafür zu verlangen. Und da sein Sohn Bernhard nichts Besseres zu tun hatte, als mit der Kohle seines Vaters um sich zu werfen, hatte er seinen Spitznamen schnell weg. Er hieß so, wie die Amerikaner ihre Ein-Dollar-Note nannten: Buck.
    Und jetzt also lud Buck zur Halloweenparty ein – mit Kostüm. Und Jenny würde auch dort sein. Nicht etwa, dass Buck ihn auch eingeladen hätte. Er bekam nie solche Einladungen. Aber wenn er mit einem Kostüm dort auflief, dann würde ihn ohnehin keiner erkennen. Er wäre ein Gespenst unter Gespenstern. Und wenn ihn keiner erkannte, dann würde ihn auch keiner hinauswerfen.
    Die Frage war dann nur: Welches Kostüm?
    Er hatte einfach keins.
    Er rannte durchs Haus wie angestochen. Nervös und krank vor Eifersucht bei der Vorstellung, dass er vielleicht zu spät kommen könnte – wegen eines lausigen Kostüms – und alle anderen waren schon da und würden Jenny beim Tanzen begaffen.
    Er fing an, jeden Raum im Haus zu durchwühlen. Das Arbeitszimmer seines Vaters, die Küche, den Kleiderschrank im Schlafzimmer, den Werkzeugkeller, den Hobbyraum, der gerade renoviert wurde. Sein Blick fiel auf die frisch geklebten Tapetenbahnen im Hobbyraum, mit dem auffälligen Muster. Auf dem Tapeziertisch lag ein abgeschnittener Tapetenrest. Genau in diesem Augenblick kam ihm die Idee. Plötzlich erschien ihm alles wie eine Reihe Perlen auf einer Kette. Schimmernd, logisch und brillant.
    Er nahm das Tapeziermesser und folgte dem Muster der Tapete, bis er mehrere Schablonen für symmetrische Kurven und gezackte Geraden hatte. Anschließend eilte er ins Bad, band seine Haare zurück, dieses schwarze strohige Etwas, das er inzwischen ebenso hasste wie seine tatsächliche Haarfarbe, und glättete sie mit Gel. Dann nahm er alle schwarzen Schminkstifte seiner Mutter und probierte sie auf seiner Hand aus.
    Der schwarze Eyeliner war der beste.
    Mit ruhiger Hand übertrug er die Muster von der Tapete

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