Der Schockwellenreiter
Talent dafür, Dinge zu verdrehen. Egal was ich sage, Sie.«
»Ich verstehe nur, ein anderes Licht darauf zu werfen. Lassen Sie mich genau das mit dem tun, was Sie sagen. Sie und die anderen, von denen Sie bisweilen reden, räumen doch ein, daß Sie unvollkommen sind. Und Sie suchen nach überlegenen Nachfolgern. Also gut, dann geben Sie mir irgendeinen Grund zu Annahme, daß diese Nachfolger nicht nur großflächigere Projektionen Ihrer eigenen, zugegebenermaßen unvollkommenen Anschauungen sein werden.«
»Das kann ich nicht. Das wäre nur anhand von Resultaten möglich, die für sich selbst sprechen.«
»Welche Resultate liegen denn bis heute vor? Schließlich sind sehr viel Zeit und Geld in Ihren Plan gesteckt worden.«
»Oh, mehrere. Manche müßten sogar solche Skeptiker wie Sie beeindrucken.«
»Zum Beispiel Kinder, die wie andere Kinder aussehen?«
»Nein, nein! Gesunde Erwachsene wie Sie, die Dinge zu tun vermögen, die niemals vorher getan worden sind, wie etwa eine komplette neue Identität über einen gewöhnlichen Kommunikator ins Datennetz einzuspeisen. Berücksichtigen Sie auch, daß wir, ehe wir damit anfingen, neue Begabungen zu entwickeln, nach jenen suchten, die man vorher unterbewertet hatte. Das Ergebnis war günstig. Uns liegen Aufzeichnungen aus der Vergangenheit vor. Beschreibungen von Blitzkopfrechnern, von Musikern, die stundenlang hintereinander ohne einen falschen Ton improvisieren konnten, von Gedächtniskünstlern, die nach einmaliger Lektüre ein ganzes Buch auswendig vortrugen. Ach, es gibt Zeugnisse aus allen Bereichen des menschlichen Strebens, von der Strategie bis zur Schnitzerei. Mit ihnen als Leitlinien versuchen wir Bedingungen zu schaffen, unter denen damit korrespondierende moderne Talente erblühen können.« Behutsam setzte er sich in seinem Sessel zurecht; seine Stimme verriet wachsende Selbstsicherheit. »Die häufigste zeitgenössische Form von Geisteskrankheit ist der Persönlichkeitsschock. Wir kennen eine wirksame Methode zu seiner Behandlung ohne Geräte oder Drogen. Wir erlauben dem Kranken, etwas zu tun, das er schon vor langem tun wollte, wozu es ihm jedoch am Mut oder an der Gelegenheit, es mit seinem Leben zu vereinbaren, gefehlt hat. Wollen Sie diese Errungenschaft leugnen?«
»Natürlich nicht. Von Küste zu Küste ist dieser Kontinent mit Menschen übersät, die kaufmännische Berufe erlernen mußten, obwohl sie lieber Wandmalereien geschaffen, Geige gespielt oder Gemüsegärten gepflanzt hätten, und schließlich ihre Chance erhielten, als es zwanzig Jahre zu spät war, um ihnen noch irgendwie Erfüllung zu bringen.«
»Außer daß es ihnen zum Gefühl einer soliden Identität verhalf.«
»Im Falle einiger weniger Glückspilze, freilich. Aber gut, von mir aus.«
»Dann will ich Ihnen folgende Frage stellen: Wären Sie nicht Miranda begegnet, hätten Sie nicht herausgefunden, daß wir unseren Verdacht bezüglich der genetischen Komponente der Persönlichkeit durch Experimente zu bestätigen suchten -wären Sie dann vom Tarnover desertiert?«
»Ich glaube, früher oder später hätte ich mich auf jeden Fall verpißt. Schon allein die Einstellung, die dazu führen kann, daß man verkrüppelte Kinder als Material für Experimente mißbraucht, hätte mich dem Tarnover entfremdet.«
»Sie drehen sich wie ein Wetterfähnchen. Wiederholt haben Sie gesagt - oder wenigstens impliziert -, daß man im Tarno-ver Menschen so konditioniert, daß sie nicht rebellieren. Sie können doch nicht zugleich behaupten, genau das, was wir tun, hätte Sie zur Rebellion getrieben.« Freeman verzog das Gesicht zu seinem Totenschädelgrinsen und erhob sich, reckte seine verkrampften Glieder. »Unsere Methoden werden im einzigen geeigneten Laboratorium getestet: der Gesellschaft als Ganzes. Bisher verzeichnen wir hervorragende Resultate. Statt sie mit der Linken lässig zu verdammen, sollten Sie einmal darüber nachdenken, wieviel schlimmer die Alternativen sind. Nach Ihren Erlebnissen im vergangenen Sommer müßten gerade Sie sehr gut verstehen, was ich meine. Morgen früh werden wir die diesbezüglich erheblichen Erinnerungen noch einmal durchlaufen lassen und sehen, ob Sie das nicht ein bißchen zurechtrückt.«
Fortsetzungsroman
Sie mußten den Weg innerhalb der Pauschalzonen fortsetzen. Also kauften sie, um das Gedächtnis aufzufrischen, einen vier Jahre alten Touristen-Führer, vorgeblich, um über die nach dem Beben errichteten Siedlungen Einzelheiten zu erfahren.
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