Der Schockwellenreiter
wechselte, die Achseln zuckte und ihn alleine ließ.
In jener Nacht war es nicht kalt, und er verbrachte sie, indem er auf einem Baumstumpf saß und starrte die Ruine des Hauses an. Doch in seinem Herzen herrschte eine arktische Kälte von so unbeschreiblicher Scham, wie er sie als Erwachsener noch nie empfunden hatte. Zum Schluß ging er einfach davon, ohne darauf zu achten, wohin.
Und kam viele Stunden später an den Ort, der die Arschbrecher-Rotte über Abgrundsdorf erbrochen hatte. Er verhieß die ersehnte Erholung vom ganztägigen Marsch, der seine Schuhe seinen Füßen verhaßt gemacht hatte, aber er wirkte auf ihn wie die Schutthalde der menschlichen Grausamkeit: die materialisierte Form der Blutgier, ihr Ektoplasma. »Ich weiß nicht, wer ich bin«, sagte er zu einem desinteressierten Passanten, als er Quemadura betrat.
»Ich weiß auch nicht, wer zum Satan Sie sind«, entgegnete der Fremde barsch und drängte sich vorüber. Es gab ihm zu denken.
Ignorantia nihil excusat
Ted Horovitz nahm einige erforderliche Anpassungen im Formbrief-Programm vor, drückte auf die Print-Taste, und als das Resultat aus dem Gerät erschien, las er es; dies war, Gott sei Dank, das letzte von siebenunddreißig Schreiben.
Sehr geehrte Mrs. Young!
Leider müssen wir Ihnen mitteilen, daß Ihr Sohn Jabez gestern abend im Bereich der hiesigen Gemeinde im Besitz von vier lebensgefährlichen Waffen verhaftet worden ist, wovon eine, eine Pistole, in den der Festnahme vorangegangenen Minuten benutzt worden ist. Der Verhandlungstermin ist auf morgen 10 Uhr 10 festgesetzt. Für den Fall, daß Sie einen Rechtsbeistand teilnehmen zu lassen wünschen, übergeben Sie ihm bitte die beigefügte Beweisaufnahme; andernfalls dürfen Sie vollkommen dessen versichert sein, daß ein vom Gericht geladener ordentlicher Rechtsanwalt Jabez' Interessen korrekt vertreten wird. Ihr Sohn Jabez hat sich als dessen unkundig erklärt, daß nach dem juristischen Kodex unserer Gemeinde die Strafe für ein derartiges Verbrechen nicht weniger als ein Jahr Rehabilitation unter Aufsicht beträgt, während welchen Zeitraums der Verurteilte die Grenzen der Gemeinde nicht verlassen darf. (Das diesbezügliche Strafmaß kennt keine Höchstdauer.) Bitte beachten Sie, daß einer der ältesten aller Rechtsgrundsätze lautet: >Unwissenheit schützt nicht vor Strafe<. Mit anderen Worten, weder eine Verteidigung noch irgendwelche Anträge können auf die Behauptung >Ich habe nicht gewußt< gestützt werden.
Mit vorzüglicher Hochachtung
»Das ist alles, bis das Gericht zusammentritt, oder?« wandte er sich hoffnungsvoll an Brad Compton, der neben seinen anderen Aufgaben auch die ihres hauptsächlichen Rechtsberaters versah.
»Soweit ich davon betroffen bin, ja«, brummelte Brad. »Aber freu' dich nicht zu früh. Ich habe heute früh mit Süßwasser gesprochen, und anscheinend hat sie etwas herausgefunden, das dich.«
»Ted!« Eine hohe Stimme von draußen.
»Man könnte wirklich fast glauben, die Frau sei eine Telepathin.« Ted seufzte und klopfte seine Pfeife aus, ehe er sie von neuem zu stopfen begann. »Ja, hier, Süßwasser, komm rein!«
Sie trat mit einem gefalteten Stapel von Computer-Printouts ein, den sie neben Ted auf den Tisch klatschte. Sie setzte sich in einen Sessel und schlug ihre Handfläche auf den Stapel. »Ich wußte es. Ich wußte , daß das, was Sandy uns an jenem Abend bei Josch und Lorna erzählt hat, mit irgend etwas in meinem Gedächtnis zusammenhängt. Es ist schon lange her -über elf Jahre -, aber es war diese Art von Anruf, wie man nur einmal im Leben einen erhält. Als ich dann nachzuforschen anfing, stieß ich geradezu auf eine Verbindung nach der anderen. Seht's euch an.«
Ted kam der Aufforderung mit gerunzelter Stirn nach; Brad trat hinter seinen Platz und las über seine Schulter mit. Für längere Zeit herrschte Schweigen, beeinträchtigt nur vom Rascheln der gefalteten Blätter. »Irgendwelche Neuigkeiten von ihm?« erkundigte sich schließlich Ted, ohne aufzublicken.
Süßwasser schüttelte den Kopf. »Auch nicht von Kate.«
»Kate ist abgereist«, sagte Brad. »Hat ungefähr um sieben Uhr dreißig die E-Bahn genommen. Aber was aus Sandy geworden ist, weiß kein Mensch.«
»Doch wir alle wissen«, sagte Ted leise, »was aus ihm werden könnte. nicht wahr?« Die beiden anderen nickten. »Laßt uns Suzy herrufen«, sagte Ted und lehnte sich mit einem Seufzer zurück. »Ich möchte dem Gemeinderat einen Antrag zum Beschluß
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