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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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essen, war ein so leuchtender Meilenstein auf der harten Straße der Selbstverbesserung, daß Vater und Mutter vorübergehend am Straßenrand bleiben konnten.
    «Meinst du, ihre Tischmanieren waren passabel?» Graham zündete sich eine Zigarette an. «Und auch nicht zu gut, was noch schlimmer wäre?»
    «Wann heiratet ihr?»
    «Oh, irgendwann diesen Sommer.» Graham schnippte das Streichholz in den Kamin. «Es kommt darauf an, was wir aus dem alten Herrn herausholen können. Er war ganz begeistert von ihr, nicht? Und ich werde auch ein bißchen nebenher verdienen, wenn ich dem Sarazenen privat assistiere. So kommt eins zum anderen. Ich nehme an, er ist sehr großzügig.»
    «Du hast dich also wirklich für die Stelle entschieden? Weißt du überhaupt, daß die plastische Chirurgie in maßgebenden Kreisen nicht einmal als respektabel gilt?»
    Graham blies eine Kette von Rauchringen. «Chloroform war es auch nicht.»
    «Du weißt selbst, daß das keine Antwort ist, Graham.»
    Robin schüttelte traurig den Kopf. «Du scheinst zu vergessen, daß unsere Familie eine gewisse Position in der Medizin aufrechtzuerhalten hat.»
    «Ja, unser Großvater war ein Quacksalber und Knocheneinrenker, und unser Urgroßvater war ein Pinkel-Prophet», sagte Graham, stand auf und ging zu Bett.

7

    Sie war die schönste oder zumindest die eleganteste Frau, der Graham je hatte die Hand reichen dürfen. Ihr Haar war so modisch kurz wie ihr jadegrünes Kleid. Ihre Hand ruhte auf einem dazu passenden seidenen Sonnenschirm. Eine Fuchsstola lag über ihren Schultern. Sie holte mehr Effekt aus der einen, riesigen Perle, die sie an goldener Kette trug, als wenn sie eine Juwelenlast zur Schau gestellt hätte. Er schätzte, daß sie älter war als er selbst, aber soviel Eleganz brachte seine Mutmaßungen durcheinander. Als sie sich umwandte, sah er auf ihrer rechten Wange ein behaartes Muttermal, drei Zentimeter breit und so häßlich wie ein Fleck auf einem Brautkleid.
    «Darf ich Ihnen Dr. Trevose vorstellen, einen meiner Mitarbeiter.» Der Sarazene präsentierte Graham hinter seinem Schreibtisch mit großartiger Geste. «Dr. Trevose wird mir bei Ihrer Operation assistieren.»
    Das war neu für Graham, der an diesem heißen Samstagnachmittag eigentlich früher Weggehen wollte.
    «Miss Cazalay gewährt uns die Gunst, Vollkommenheit zu schaffen, wo vorläufig nur Schönheit ist.» Der Sarazene schwang seine Zigarre. Er hatte seine Uniform aufgegeben, nicht aber seine
    Rauchgewohnheiten. «Da ich unter Lokalanästhesie arbeiten werde, möchte ich, daß Sie ein Sedativum verabreichen.»
    «O nein!» wandte Miss Cazalay sofort ein. «Ich lasse mich unter gar keinen Umständen benebeln.»
    Der Chirurg schaute recht zweifelnd drein. «Wir haben dort oben einige recht furchterregende Spielsachen.»
    «Jetzt wollen Sie mir eine Gänsehaut machen.»
    Das ist die Stimme einer Frau, die weiß, was sie will, dachte Graham.
    «Sie sind genauso arg wie die anderen Ärzte», lächelte Miss Cazalay. «Sie sagen alle, man hat die gräßlichsten Dinge, nur damit man dann dankbarer ist, wenn sie schließlich finden, daß sie sich geirrt haben und man ohnedies gesund ist. Ich will einen völlig klaren Kopf behalten. Ich lasse mir nicht die Chance nehmen, allen, aber wirklich allen, von meiner Operation zu erzählen, zumal sie in den Händen des berühmten Dr. Sarasen liegt.»
    Vielleicht besänftigte dieses Lob den Chirurgen, jedenfalls gab er nach.
    Unter den Ereignissen des heißen, trockenen und folgenreichen Sommers 1919 waren der in Versailles Unterzeichnete Friedensvertrag und die Versenkung der deutschen Flotte bei Scapa Flow, aber bislang nicht die Hochzeit Ediths mit Graham, der langsam dachte, die Schneeflocken würden noch vor dem Konfetti auf seine Schultern fallen. Denn der Sarazene war rauh aus seinen Träumen gerissen worden, und Grahams Aussichten waren zusammen mit der ganzen Schimäre verblaßt.
    Zunächst hatte es Graham genossen, bei Operationen an Fleisch und Blut zu assistieren, nachdem er bisher Chirurgie mit Papier und Bleistift praktiziert hatte. Er erreichte sogar ein tragbares Verhältnis zu Haileybury zum Wohle der Patienten, obgleich er ihm geflissentlich in allen Dingen widersprach, von der Qualität des Nachkriegskatgut bis zu der Streikwelle der Nachkriegszeit, der irischen Frage, dem Goldstandard und dem allgemeinen Niedergang der Moral. All das hatte bei ihm zu leicht sozialistischen Ansichten geführt, die Ediths Vater bei ihrem

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