Der Schönheitschirurg
eine Kellnerin, die sich mit seinem Kuchen vorbeugte, entflammte ihn zu keineswegs wissenschaftlichen anatomischen Gedanken. Nun, es war ein Glück, daß ihn die Mädchen mit den Jahren immer mehr und nicht immer weniger anzogen. So jedenfalls sagte er sich. Es war kein Spaß, zu einem trockenen alten
Stock zu verwelken. Und außerdem konnte natürlich unmöglich jemand etwas bemerken.
Da er mit der Frambösie kein Glück gehabt hatte, begann Robin zu einer Dissertation über die Rolle des Glaubens in der Heilung anzusetzen.
Graham schaute auf. «Oh, du meinst, wie Monsieur Coué? Robin blickte zornig. «Du mißverstehst mich schon wieder. Ganz absichtlich.» Mit Rücksicht auf Edith beschloß er, die Auseinandersetzung abzubrechen. Er begann statt dessen über die Grippeepidemie zu sprechen und sie als Beispiel göttlichen Zornes über die Untaten der kriegführenden Menschheit darzustellen.
«Mein lieber Junge!» Graham war die Art, wie sich sein Bruder vor seinem Mädchen in Szene setzte, zuwider. «Jetzt verwechselst du Theologie und Bakteriologie.»
«Mußt du immer solche verallgemeinernden Bemerkungen machen?» sagte Robin.
«Aber sei doch vernünftig. Wenn uns der Glaube an Gott von unseren Krankheiten heilen kann, wozu soll er dann überhaupt erst çine Epidemie schicken wollen?»
«Es kommt alles von der Unterernährung», erklärte der Professor und wischte sich den Mund mit seiner Serviette. Um den Streit zu ersticken, schlug er vor, ihnen auf der Violine etwas vorzuspielen.
Das Frühstückszimmer war viel zu klein für Mozart, mit Melodien aus «Chu Chin Chow» und «H. M. S. Pinafore» als leichte Kost zwischendurch, doch hörten alle drei aufmerksam zu. Besonders Edith. Sie fand seine Musik weniger anstrengend als seine Konversation. Als er endlich sein Instrument wegpackte, brachte der Professor das Gespräch auf das Maschineschreiben.
Edith errötete. Sie hielt so bescheidene Fertigkeiten dieser Gesellschaft unwürdig. «Ich lernte es nur, um mich im Krieg nützlich machen zu können», erklärte sie hastig. «Ich helfe Mr. Wellingford nur aus Gefälligkeit, wissen Sie. Absolut nicht auf Dauer.»
«Ich schreibe ein Buch», enthüllte der Professor. «Es ist unbezahlte Arbeit, aber nichtsdestoweniger Arbeit. Meine letzte Schreibkraft ging etwas unerwartet, und es fällt mir schwer, einen passenden Ersatz zu finden. Wenn ich vielleicht ein wenig von Ihrer Zeit stehlen dürfte ...“
«Sehr gerne, wirklich.» Edith lächelte in die Runde. «Ich meine, es bleibt ja jetzt in der Familie, nicht wahr?»
«Aber Vater wird dich selbstverständlich für deine Mühe bezahlen», sagte Graham.
Der Professor sah seinen Sohn verärgert an. «Das Honorar muß notgedrungen niedrig sein. Das akademische Leben ist, wie Sie sicher verstehen, ganz und gar nicht durch finanzielle Erwägungen motiviert.»
«Natürlich», sagte Edith.
Der Professor lächelte mild. «Was ein Nachteil sein mag oder auch nicht.»
«Ich nehme an, ich könnte jeden Samstag kommen.»
«Das wäre eine große Hilfe.»
«Wenn ich es schaffe, natürlich.»
«Ich denke, das Thema wird Sie sehr interessieren. Es geht um die Gelenkschleimhäute.»
«Wirklich?» fragte Edith eifrig. «Ja, das wird mich sicher interessieren.»
Der Professor beugte sich tief über ihre Hand. Dann ging er, erschöpft von so viel Geselligkeit, direkt ins Bett.
Graham brachte Edith zur Untergrundbahnstation. Als er zurückkam, fand er Robin gedankenvoll vor dem erlöschenden Feuer stehen.
«Na? Wie findest du sie?»
«Sie ist jedenfalls sehr fröhlich und sehr angenehm. Und sehr hübsch.» Robin machte eine Pause, dann fügte er hinzu: «Ich gratuliere dir, Graham.»
«Danke.» Graham streckte sich in einem Stuhl aus.
«Man würde sie wirklich nicht für gewöhnlich halten.»
«Danke», wiederholte Graham.
«Gewöhnlich» zu sein, war ein derart fürchterlicher gesellschaftlicher Makel, daß Ediths Eltern während des Essens taktvollerweise überhaupt nicht erwähnt wurden, genauso wie man bei den Patienten des Sarazenen nicht über Nasen sprach. Sie hatte das Gespräch jedenfalls nicht auf ihre Eltern gebracht. Mit einem Professor und seinem Sohn, der Doktor war, zu Abend zu
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