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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Lord Cazalay?»
    Graham zog die Brauen hoch. Während des Krieges hatte jedermann von Lord Cazalay gehört. Von Plakaten, Zeitungen oder flaggenbehängten Podien hatte er ständig der Bevölkerung geschmeichelt oder gedroht und war von den Deutschen mit der Drohung, nach dem Krieg erhängt zu werden, geehrt worden. Graham fand, daß, wenn auch die Quantität der Praxis des Sarazenen zurückging, die Qualität entschieden Niveau zu halten schien.
    «Sie wollte die Operation in ihrem Haus haben, aber ich war dagegen. Das Risiko einer Sepsis und so weiter... Es ist eine einfache Sache. Vergangene Woche entfernte ich das gleiche Zeug von der Brust eines Mädchens? Ihr Freund verwechselte das Muttermal ständig mit ihrer Brustwarze.» Der Sarazene lachte. Seine Patientin hatte ihn großartig in Stimmung gebracht. «Verwenden Sie die Bürste nicht auf der Haut, mein Sohn», warnte er, während sie sich wuschen. «Sie bekommen davon Dermatitis und vielleicht in dreißig Jahren Krebs.»
    Der Operationssaal war ein kleiner, einfacher Raum mit einem langen Fenster an einer Wand, das die Nachmittagssonne hereinließ. Er war karg eingerichtet, mit einem spindelbeinigen Operationstisch unter einer breitschirmigen elektrischen Lampe, zwei emaillierten Eimern auf dem Linoleumboden und einem Stapel von Waschschüsseln, die aussahen wie ein Tortenständer. In einem weißgestrichenen Wandschrank standen flache Schüsseln mit Nähmaterial in Karbolsäure, glänzende Metalltrommeln mit sterilen Bandagen, Fläschchen mit leuchtend farbigen Antiseptika und
    Bündel von Tupfern in Gläsern, die wie aus einem Bonbongeschäft wirkten. Graham drehte sich um, als die Patientin erschien. Sie lag auf einem Krankenwagen. Ohne Hut sah sie älter aus - wenigstens dreißig, dachte er. Ihr Kleid war bis zur Taille heruntergezogen, sie trug einen sogenannten Büstenhalter.
    «Das ist aber kompliziert», beschwerte sich Miss Cazalay. «Für eine geringfügige Operation.»
    «Meine Liebe, es gibt keine geringfügigen Operationen.»
    Der Sarazene bedeckte flink ihre Schultern, Hals und Augen mit* weißen, sterilen Tüchern. Er nahm von Graham eine Spritze mit Lokalanästhetikum, sagte fröhlich: «Nur ein kleiner Flohstich»,* und stieß die Nadel unter ihre Haut.
    «Autsch!» schimpfte sie durch die Tücher. «Das tat weh.»
    «Tut mir leid, meine Liebe.»
    «Also, vergessen Sie nicht - Sie müssen mir wirklich alles sagen, was hier vorgeht.»
    «Sicher, meine Liebe, sicher.»
    Miss Cazalay fand Ärzte enervierend. Sie war dazu erzogen worden, ohne Eitelkeit fraglos anzunehmen, daß niemand eine bessere Position auf der Bühne des Lebens einnehmen könne als sie selbst. Ihre Bekannten waren kein Problem, da sie das anerkannten, Pfarrer und Ärzte jedoch verlangten eine lästige Umstellung der Persönlichkeit. Selbst Pfarrer waren nicht allzu schwierig, da alle, mit denen sie zu tun hatte, Persönlichkeiten wie sie und den Allmächtigen mit gleichermaßen wohlerzogenem Respekt zu behandeln pflegten. Ärzten aber war man ausgeliefert. Ihr Körper könnte geradesogut der ihres Dienstmädchens sein, wenn auch sauberer. In ihren Händen war man ein Niemand. Und Miss Cazalay konnte es sich niemals erlauben, ein Niemand zu sein. Sie beschloß daher, ihrer Operation den Stempel ihrer Persönlichkeit aufzudrücken.
    Doch verlaufen Operationen, wie auch Schlachten, leider nicht $ immer so glatt wie in den Köpfen ihrer Planer. Zunächst einmal war die Blutung zu stark. Der Sarazene entschied zornig, daß das, mit dem Lokalanästhetikum vermischte Adrenalin, das die geschnittenen Blutgefäße kontrahieren sollte, im Sonnenlicht gelitten haben mußte. Blutstropfen begannen Grahams Tupfer zu entkommen und über Miss Cazalays wohlgeformtes, aber nicht anästhesiertes Kinn zu laufen. Ihre Forderungen nach einem laufenden Kommentar wurden immer weniger enthusiastisch. Der Sarazene zog ungeduldig mit seiner Zange an dem halbentfernten Muttermal, und sie schrie auf.
    «Es dauert nicht mehr lange, meine Liebe», murmelte er. «Nicht mehr lange.»
    Keine Antwort.
    Endlich war das Muttermal abgelöst. Der Sarazene hob es mit der Zange aus seinem blutigen Bett und ließ es in eine bereitstehende Nierenschüssel auf dem Operationstisch fallen. Unglücklicherweise hatte er übersehen, daß die Tücher im Verlauf der Schwierigkeiten verrutscht waren, so daß das Stück pigmentierten, blutenden Fleisches direkt im Gesichtsfeld seiner Besitzerin lag. Miss Cazalay schrie

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