Der Schönheitschirurg
daß er selbst gehen müsse.
Der Sarazene hatte die Halsstarrigkeit der charmanten Londoner Spezialisten unterschätzt, die darauf lauerten, ihre eigenen Patienten in seine profitablen Betten im Princess Alexandra’s Hospital zu stecken. Wie viele andere flotte Emporkömmlinge, deren Existenz man während des Krieges hingenommen hatte, fand er sich in der formelleren Friedensgesellschaft verpönt. Zwar konnte ihn niemand nach Hause schicken, weil ihn ja niemand hergesandt hatte, und er machte keinerlei Anstalten, sich selbst zu repatriieren (wegen der bevorstehenden Prohibition, hieß es), doch seine Patienten verliefen sich einfach, bis die einst lebensfrohe Abteilung zu schwach geworden war, um auch nur einen einzigen Assistenten erhalten zu können. Seine Berechtigung, mit New Yorker Qualifikationen überhaupt zu praktizieren, wurde öffentlich angezweifelt. Graham kam dadurch in die höchst gefährliche Situation, einem Unbefugten zu assistieren, ein, wie der junge Mann wußte, so schwerwiegendes Verbrechen wie Ehebruch mit einer Patientin, wenn auch weniger vergnüglich. Der Sarazene war traurig. Er hatte erwartet, daß man ihm aus Dankbarkeit für seine Leistungen
während des Krieges britische Qualifikationen zum Geschenk machen würde. Doch die ernsthaften Chirurgen, die über derartige Dinge entschieden, lasen in ihren Zeitungen zuviel über seine Vorliebe für große Autos, Reitpferde, Champagnerfeste und jede attraktive Frau, an die er herankommen konnte.
Grahams nächste Niederlage war es, zugeben zu müssen, daß sein Bruder recht gehabt hatte. Sein impulsiver Ausflug in die plastische Chirurgie hatte nicht nur als Niederlage geendet, ein Zeugnis vom Sarazenen war überdies ein Paß, der in den angesehensten Hospitälern keine Gültigkeit hatte. Er fand, er müsse irgendeine Stellung haben, bevor er heiraten könne, obwohl er es so eingerichtet hatte, daß er mit Edith im oberen Stock in Hampstead wohnen würde, über dem Schlafzimmer des Professors. Die Zeremonie mußte daher notgedrungen verschoben werden. Mittlerweile kam seine zukünftige Frau jeden Samstagnachmittag und tippte die Monographie über die Gelenkschleimhäute.
8
«Ich habe ganz vergessen, Sie zu fragen, was aus Ihrer Bewerbung für den Hals-Nasen-Job in Islington geworden ist», sagte der Sarazene zu Graham, als sie im Aufzug dem oberen Stockwerk entgegenknarrten und -wackelten. Sie hatten Miss Cazalay in der Obhut der Oberschwester des Princess Alexandra’s Hospital zu-; rückgelassen, wo sie sich auf ihre Heimsuchung ohne Sedativum vorbereiten konnte.
«Gar nichts.»
«Das ist schlimm. Ein Hals-Job wäre nützlich. HNO ist eng verwandt mit der plastischen Chirurgie, und Sie hätten vielleicht versuchen können, im stillen ein paar Nasen umzuformen. Aber verlieren Sie nicht Ihr Selbstvertrauen, mein Sohn.» Der Sarazene öffnete die Lifttür. «Sie haben den Kopf und die Hände für diese? Art der Chirurgie. Ihre Idee, die Transplantate zuzunähen, ist ein großer Fortschritt.» Er lachte über seine eigene Schläue in sich hinein, als er fortfuhr: «Sie sind auch recht anziehend für die Damenwelt. Das hilft in unserem Fach. Ich habe es bei den Schwestern bemerkt, bei den Stenotypistinnen und den anderen Mädchen.»
Graham war überrascht. «Ich habe mir nie geschmeichelt, eine besonders romantische Figur abzugeben», widersprach er bescheiden.
«Das Aussehen ist nicht so sehr wichtig.» Der Sarazene war wegen seiner eigenen Taille empfindlich. «Vielleicht kommt es daher,
daß Sie sie amüsieren. Schließlich gibt es nicht viel Amüsantes im Leben einer Frau. Nichts als Menstruation, Konstipation und Rückenschmerzen.»
«Aber Doc!» Graham grinste. «Sie scheinen zu vergessen, daß ich bald ein Ehemann bin.»
«Vielleicht. Ihr kleines Mädchen muß schon recht ungeduldig sein.» Der Chirurg warf seine Zigarre in den Feuereimer vor dem Narkoseraum, weniger aus Respekt vor hergebrachten medizinischen Grundsätzen als vor der Explosivität des Äthergases.
Als sie sich an dem neuen Boyle-Anästhesieapparat, der wie ein Arrangement aus wassergefüllten Marmeladegläsern aussah, vorbeidrückten, fügte er über die Schulter hinzu: «Ich glaube nicht, daß unsere Patientin ohnmächtig werden wird. Miss Cazalay ist ein zähes Baby.»
«Ist sie Schauspielerin?» Graham hatte zwar nie von ihr gehört, doch hatte von den Schauspielerinnen, mit denen der Sarazene verkehrte, nie jemand gehört.
«Nein, nein, nein! Kennen Sie
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