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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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auf.
    «Wasser!» kommandierte er und legte hastig einen Tupfer auf die offene Wunde.
    Graham fand schnell eine Krankentasse in der Form einer kleinen Teekanne. Er goß etwas Wasser hinein und hielt sie zwischen Miss Cazalays Lippen. Sie brachte es fertig, «Schrecklich vielen Dank» zu sagen. Sie war außerordentlich gut erzogen.
    Der Sarazene befahl Graham daraufhin, für den Rest der Operation ihre Hand zu halten.
    Es fiel dem Chirurgen ein, daß er seine Patientin nach dieser Tortur in ihrem Wagen nach Hause bringen sollte, besonders da der Anblick seiner Rechnung ein ebenso schwerer Schock sein würde, wie es der Anblick ihres Muttermals gewesen war. Doch war er in einer halben Stunde mit einem Mann verabredet, von dem er Geld zu borgen hoffte. Einen Augenblick lang kämpfte er zwischen Pflicht und Zahlungsfähigkeit. Dann bat er Graham, sie an seiner Stelle zu begleiten.
    Im Fond des Daimlers, mit einer Decke auf den Knien, entschuldigte sich Miss Cazalay tausendmal für ihr dummes Benehmen. Graham drückte sein Mitgefühl aus. Die Dame war offensichtlich gegen die Schrecken der Chirurgie ebenso empfindlich wie wegen des Makels, den sie entfernt hatte.
    «Ich weiß wirklich nicht, warum ich mir das eigentlich machen ließ», sagte sie verwirrt. «Höchstens weil mich Dr. Sarasen dazu überredet hat, und er ist furchtbar überzeugend, nicht wahr? Eigentlich hatte ich das kleine Muttermalding schrecklich gern. Ich werde ohne es ganz verloren sein. Jedenfalls war es furchtbar lieb von Ihnen, meine Hand zu halten, Dr. Trevose. Ich hoffe, es langweilte Sie nicht, wo Sie mich doch so viel lieber aufgeschnitten hätten. Und jetzt kann ich mich einen ganzen Monat lang nicht sehen lassen. Gott sei Dank ist die Saison zu Ende. Ich werde in völliger Einsamkeit dahinleben können. Ich habe wochenlang wie ein Galeerensträfling gearbeitet!»
    Der Gedanke, daß Miss Cazalay Sklavenarbeit tun könnte, überraschte Gaham so sehr, daß er ausrief: «Was für Arbeit?»
    «Och, alles mögliche. Rotes Kreuz, die Cazalay-Mission in Canning Town, das Belgische Kinderhilfswerk, der Sonnenschein-Fonds, der Klub für unentgeltliche Medizin... ich habe nie einen Augenblick freie Zeit.»
    «Ich verstehe. Nun, es ist doch immer besser, man hat keine Langeweile.»
    «Langeweile?» Sie musterte ihn irritiert. «Ich könnte niemals Langeweile haben.» Er hätte ebensogut behaupten können, sie habe irgendeine grauenhafte Krankheit. «Wir sind da», sagte sie abrupt.
    Sie waren vor einem Haus in der Half Moon Street, in der Nähe von Piccadilly, angekommen. Graham verkehrte sonst nicht in dieser Gegend von London, ja, er kannte sie nicht einmal. Als der Chauffeur den Wagenschlag öffnete und Graham Miss Cazalay beim Aussteigen half, bemerkte er beunruhigt, daß sie sehr blaß war und zu zittern begann.
    «Sind Sie sicher, daß Sie sich wohl fühlen?» fragte er besorgt. «Es könnte eine Nachwirkung der Lokalanästhesie sein.»
    «Natürlich bin ich in Ordnung.»
    Eine große Gestalt im Frack öffnete das Haustor. Die Vorhalle war hoch und dunkel und schien voll Marmor und Gemälden. Als Graham Miss Cazalay hineinführte, sagte sie:
    «Jetzt bin ich wieder dumm», und er fing sie gerade noch auf, als ihre Knie nachgaben.
    Die Gestalt im Frack, die Graham für einen Butler oder einen Diener hielt, starrte sie entsetzt an. Lord Cazalays einzige Tochter war in diesem Haushalt eine so nachdrücklich wichtige Persönlichkeit, um die sein eigenes Leben in der Entfernung seine bescheidenen Kreise zog; sie plötzlich ohnmächtig zu sehen, kam für ihn dem Erlöschen der Sonne gleich.
    «Soll ich einen Arzt holen, Sir?» stöhnte er.
    «Ich bin Arzt», sagte Graham kurz. «Bringen Sie einen Cognac.» Der Butler starrte noch immer. «Schnell! Sehen Sie nicht, daß es dringend ist?»
    Graham setzte Miss Cazalay auf einen Stuhl und schob ihren Kopf zwischen ihre Knie. Ihr Hut fiel herunter. Er überlegte, ob er sie auf den Fußboden legen und ihr Kleid aufreißen sollte, um die Atmung zu erleichtern, aber vielleicht hemmte ihn das ausgeprägte Dekorum der Umgebung. Er blickte umher, in der Hoffnung, eine Verwandte oder sonst eine weibliche Hilfe zu sehen. Zwei Mädchen in Dienstbotenuniform lehnten sich über die Brüstung, noch verstörter als der Butler. Es war einfach unfaßbar, Miss Cazalay in einer so unwürdigen Haltung zu finden. Man fiel eben nicht vor den Dienstboten in Ohnmacht. Da seine Patientin keinerlei
    Anzeichen von Wiederbelebung

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