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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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zeigte, hatte Graham einen Augenblick lang panische Angst, sie wäre tot. Er fühlte ihren Puls, der schwach schlug. Der Butler erschien wieder mit einer Karaffe und einem Glas auf silbernem Tablett, mit zitternden Händen. Diese Unregelmäßigkeit hatte sein Denken so gelähmt, daß er das Stimulans automatisch so servierte, als sei es nach dem Essen ins Speisezimmer bestellt worden.
    Miss Cazalay schnappte auf den Cognac hin nach Luft. «Wo ist das Schlafzimmer der Dame?» fragte Graham. Der Butler zögerte. Selbst in einer solchen Krise fragte er sich, ob es schicklich wäre, einen fremden und ziemlich ungepflegten jungen Mann in das Heiligtum zu führen. Graham hob sie auf.
    «Kommen Sie! Sie muß sich irgendwo hinlegen.»
    Der Butler ging voran, die Stiegen hinauf. Graham war nicht stark, Miss Cazalay ziemlich schwer. Er lächelte bei dem Gedanken, wie sie beide die würdige Treppe hinunterkollern und nicht nur einer, sondern zwei besinnungslose Patienten unten in der Halle liegen würden. Miss Cazalays Zimmer schien nur aus Spiegeln und orangefarbenen Seidendraperien zu bestehen. Ein Mädchen, das sich so weit von seinem Schock erholt hatte, daß es glaubte, man erwarte Taten von ihm, erschien hilfreich mit einer großen Flasche.
    «Was ist das?» fragte Graham.
    «Jeyes-Lösung, Sir.»
    «Großer Gott!» murmelte er. «Ein Desinfektionsmittel für Abflüsse!»
    Miss Cazalay öffnete die Augen. «Ich habe schreckliche Kopfschmerzen.»
    «Haben Sie kein Aspirin?» fragte er das Dienstmädchen.
    «In meinem Toilettentisch», murmelte Miss Cazalay. Die Farbe kehrte zögernd wieder in ihre Wangen zurück. «Was für ein Theater! Ich bin furchtbar dumm», entschuldigte sie sich wieder, als das Mädchen mit Wasser und Pillen zurückkam. Miss Cazalay war dazu erzogen worden, jede Krankheit als Form von Schwäche zu sehen.
    «Wie kam ich aus der Halle herauf? »
    «Ich trug Sie.»
    Sie brachte ein Lächeln zuwege. «Wie romantisch.»
    Die Tür wurde aufgerissen, und eine Dame in Straßenkleidung warf sich mit einem Schwall von Italienisch auf Miss Cazalay. Lady Cazalay entstammte einer vornehmen venezianischen Familie. Wenn sie von ihren Empfindungen übermannt wurde, fand sie nur in ihrer eigenen Sprache ein adäquates Ausdrucksmittel. Sie anerkannte Grahams Gegenwart nur insofern, als sie ihm sagte, man solle sofort Dr. Whitehead rufen lassen.
    «Aber Madam! Miss Cazalay wird sich sehr bald wieder völlig wohl fühlen, wenn sie eine Weile geruht hat.»
    «Nein, nein. Wir müssen Dr. Whitehead haben. Er behandelt meine Tochter, seit sie ein kleines Mädchen war.»
    Graham bezweifelte dies, da Dr. Whitehead kein Mann in vorgerückten Jahren war. Aber er suchte pflichtgetreu den Butler, um den Königlichen Leibarzt holen zu lassen. Sie konnten schließlich rufen, wen sie wollten, solange sie sich die Honorare leisten konnten. Er sah zu, wie der Butler zögernd in das Telefonzimmer neben der Halle ging und das Instrument von dem Louis-Quatorze-Tischchen abhob, wo es mit der Pracht aller privilegierten Besitztümer der Cazalays zur Schau gestellt war. Der arme Bursche empfand dies als den letzten Schlag nach den umwälzenden Ereignissen des Nachmittags. Das Telefon beunruhigte ihn, da ihm einmal jemand gesagt hatte, es ziehe in meilenweitem Umkreis gefährliche atmosphärische Elektrizität an.
    Graham wurde allem Anschein nach nicht mehr gebraucht. Die Patientin war auf dem Weg der Besserung, und Dr. Whitehead würde sich vielleicht ärgern, ihn hier in seinem schäbigen Anzug zu sehen. Er öffnete die Tür und ging leise hinaus. Er spazierte im Sonnenschein durch Picadilly bis zur Ecke der Bond Street gegenüber dem Hotel Ritz, saß dann auf dem Oberdeck eines offenen Busses nach Hampstead und erlebte im Geiste die Ereignisse des Tages noch einmal.

9

    Daheim angekommen, wurde Graham in der Halle von zwei schwarzen Metallkoffern begrüßt, ordentlich verschnürt, mit Blei versiegelt und säuberlich weiß beschriftet: «Dr. Robin Trevose, unterwegs nicht benötigt.» Mit seiner angeborenen Umständlichkeit, die er für Pflichtgefühl hielt, hatte Robin schon vor Wochen zu packen begonnen. Seine Bücher waren sorgsam in Kisten verstaut, sein Zelt, Moskitonetz, Sitzbad und die Wärmeflasche (es könne während der Nacht recht kalt werden, erklärte er Graham streng) lagen in Schachteln, mit hübschen Dampfschiffetiketten behängt. Da es im Gewirr der Nachkriegsschiffahrt schwierig war, eine Passage zu buchen, hatte er den

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