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Der Schönheitschirurg

Der Schönheitschirurg

Titel: Der Schönheitschirurg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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getreten ist, keine Unehre gemacht hätte. Der Kanzlist aus Hither Green hielt eine Rede, die Marschall Halls nicht unwürdig gewesen wäre. Der Fleischer und seine Frau waren sprachlos; da aber ihrer Tochter offenbar ein Doktor so gut wie der andere war, schickten sie sich darein, waren sie doch kaum imstande, Ediths Erfahrungen in Zweifel zu ziehen. Tante Doris steuerte die Tränen bei, der Professor einen nicht allzu hohen Scheck. Das Paar verbrachte die Nacht im Euston Station Hotel und reiste am nächsten Morgen nach Liverpool, einer hochherzigen, wenn auch unbemittelten Zukunft entgegen.
    Edith fühlte, daß das größte Abenteuer ihres Lebens begonnen hatte. Es war sogar noch aufregender als die Arbeit in der Gesichtsklinik. Zwar war niemand am Kai, um ihnen Lebewohl zu sagen, aber sie standen trotzdem und winkten wild von der Reling. «Nun werden wir unser altes Land eine ganze Weile lang nicht sehen, mein Liebling», bemerkte Robin vergnügt, worauf sie atemlos antwortete: «Ach, es ist ja so wunderbar!»
    Alles faszinierte sie - die Hafenanlagen mit ihren schlaksigen Kränen, die Lagerhäuser, groß wie Kathedralen, angefüllt mit merkwürdig riechenden Säcken, ihr frisch angetrauter Gatte, der ihre neuen blau-goldenen Pässe schwang, die Schiffsventilatoren, die wie schlecht gegossene Pflanzen herunterhingen, der faszinierende Geruch nach brennendem öl oder bratendem Schweinefleisch, der aus den Luken strömte, die Engländer mit goldenen Litzen und die Chinesen in gestärkten Jacken. Sie kicherte sogar aufgeregt über die Vorschriften für das Anlegen von Schwimmwesten, die irgendwie die aufregenden Gefahren des Meeres andeuteten. Robin bestand darauf, daß sie sie gründlich lese, bevor sie in See stachen. Die Aussicht, in einer Koje zu schlafen, kitzelte sie viel mehr als die, sechstausend Kilometer blauen Wassers unter ihrem Bullauge dahingleiten zu sehen.
    Sie wurden schnell als Neuvermählte erkannt, obwohl Robin so wenig seefest war, daß er mehrere Nächte vorübergehen lassen mußte, ehe er diesen Umstand in die Tat umsetzen konnte. Er ging mit großer Begeisterung an seine Pflichten heran. Er hatte vage Vorstellungen von Pikanterien, die die einfache Kost menschlichen Verkehrs würzen sollten: er wollte Ediths Füße umarmen und sich irgendeiner Beschämung, ja sogar Gewalt von ihrer Hand anheimgeben. Aber sie sagte nur: «Robin, sei nicht albern», und er erkannte, daß diese Pläne Theorie bleiben mußten, wenn er es auch
    bedauerte. Er hatte gedacht, Frauen hätten eine andere Einstellung zu solchen Ideen. Er hätte das Thema gern mit Graham diskutiert, wegen dessen größerer Erfahrung mit dem anderen Geschlecht, doch erkannte er, daß das etwas schwierig sein würde.
    Die anderen Passagiere waren Beamte, Offiziere, Plantagenbesitzer und Geschäftsleute, die in den Osten fuhren, um altes Eigentum nach dem Krieg zurückzugewinnen oder neues zu erwerben. Sobald das Schiff den Suezkanal passiert hatte, schien die Sonne heißer, als Edith je für möglich gehalten hätte. Markisen wurden auf Deck aufgezogen und Metallklappen angebracht, die die stickige Atmosphäre des Roten Meeres in die Bullaugen leiteten. Die gewöhnlichen Mittelständler, die in Liverpool an Bord gegangen waren, überkam eine Änderung. In ihren weißen Hosen schritten die Männer wie Lords über Deck, sprachen lauter, lachten herzlicher und klatschten in die Hände nach Getränken, nicht nur schallender, sondern auch öfter. Ihre Frauen zeigten noch deutlicher die merkwürdige Erhöhung, die alle Engländer in starkem Sonnenlicht erfahren. Edith war zu glücklich, um gleich die kleinen Herablassungen zu bemerken, mit denen sie ihrer Erleichterung darüber Ausdruck verliehen, daß sie nach Singapur ihrer peinlichen Gegenwart enthoben sein würden. Auch war sie zu redselig, um zu bemerken, daß die wenigen Körnchen Konversation, die sie im Kopf hatte, immer mehr von gesellschaftlichem Frost im Keim erstickt wurden.
    «Diese Frau an unserem Tisch ist eine gehässige Person», beklagte sie sich bei Robin, als das Schiff um Ceylon herum nach Osten abdrehte. «Als ich sagte, daß ich nicht Bridge spielen kann, schnüffelte sie bloß und sagte: -» Edith imitierte die saure Stimme - »
    Robin runzelte die Stirn. Obwohl er Edith immer als Krankenschwester vorstellte, wußte er, wie sinnlos es war, sich darüber hinwegzutäuschen, daß sie

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