Der Schönheitschirurg
nasse Krawatte herunterriß, verkündete Robin: «Edith und ich werden heiraten.»
Graham hielt in der Bewegung, seinen obersten Hemdknopf aufzumachen, inne. « Was werdet ihr?»
«Heiraten. Edith und ich. Nächsten Freitag.»
Grahams erster Gedanke war, daß Robin nun keine Wärmeflasche brauchen würde.
«Ja. Ich hätte dir alles früher sagen sollen.» Robin steckte die Hände in die Taschen seines klerikal grauen Anzugs und begann in höchster Erregung den Teppich abzuschreiten. «Ich gebe offen zu, daß ich dich in den vergangenen Wochen betrogen habe. Dich betrogen - meinen eigenen Bruder! Es ist furchtbar. Aber ich tat es nur für deinen Seelenfrieden. Ehrlich, Graham. Für unser aller Seelenfrieden. Es wäre doch sonst für uns beide unmöglich gewesen, weiterhin unter einem Dach zu wohnen, nicht wahr?»
Graham sagte nichts. Er fürchtet sich direkt vor mir, dachte er. Eine erfrischende Änderung.
«Ich hätte vielleicht woanders hingehen können», gab Robin mit einem Schulterzucken zu. «Aber mit all meinen Reisevorbereitungen wäre das sehr schwierig gewesen. Nun, da ich nächste Woche fahre - da wir nächste Woche fahren, ist es höchste Zeit.»
Graham beschloß, seine Rolle in diesem Auftritt zu spielen. «Du verdammter Scheinheiliger», sagte er eindrucksvoll.
«Ja, beschimpfe mich nur. Beschimpfe mich, soviel du willst. Ich habe es verdient.» Robin sah seinem Bruder nervös ins Gesicht, seine roten Wangen begannen zu zittern. «Aber du wirst verstehen, Graham - du mußt verstehen, draußen im Osten braucht man eine Gefährtin. Ganz besonders für die Aufgabe, die ich übernommen habe. Es ist unbedingt notwendig. Ich brauche eine Kameradin, die sich um die Frauen und Kinder kümmert. Eine Kameradin, die sich um mich kümmert. Sonst würde ich verrückt. Es gibt sonst keine Frauen dort, weißt du. Nur Eingeborene. Ja, ich würde verrückt. Gänzlich verrückt. Und Edith ist dafür so geeignet. Sie versteht eine Menge von der Medizin. Ihre Arbeit in dieser Klinik für plastische Chirurgie hat sie auf all die grauenhaften Dinge vorbereitet, die ...»
«Du mit deinem Gefasel über den Glauben und das schöne Leben im Jenseits! Du gibst dich aus als persönlichen Freund Gottes ...»
«Ich bin immer ein aufrichtiger Christ, Graham», protestierte Robin lahm. «Das hat nichts geändert.»
«Ich verstehe nicht, wie du dich unterstehen kannst, als ärztlicher Missionar aufzutreten. Du bist eben mit Roß und Wagen quer durch alle Zehn Gebote gefahren.»
Graham war zwar nicht sicher, welche Gebote in Frage kamen, aber er fand die Phrase bedeutungsschwer. «Du bist abscheulich eigennützig. Du schleppst Edith weg, nur um deiner verdammten Bequemlichkeit willen.»
«Nein, nein, das ist falsch! Ich liebe sie.» Robin war viel zu egozentrisch, um auch nur daran zu denken, daß Graham in der gleichen Lage sein könnte. «Wenn ich Edith nicht von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebte, wie könnte ich dann diese Seelenqual ertragen.»
Zu Grahams Bestürzung fiel sein Bruder zu seinen Füßen auf die Knie. «Wir müssen beten, beten», begann er zu stammeln. «O Gott, vergib deinem niedrigen und schwachen Knecht, o Gott, vergib mir! Ich bin elend, schwach, ich kann die gärenden Leidenschaften eines Mannes nicht zügeln ...»
«Damit kommen wir nicht weiter», sagte Graham.
«Graham, du mußt mir verzeihen. Bitte, vergib mir, Graham. Ich flehe dich an! Züchtige mich, geißle mich, aber vergib mir dann.»
Robin brach in Schluchzen aus.
Es fiel Graham ein, daß dies genau die Situation war, die er sein ganzes Leben lang herbeigesehnt hatte. Hier war Robin der Tugendbold, Robin der Schöne, Robin der Gerechte, Robin mit der für Tuberkelbazillen undurchdringlichen Brust, Robin, der immer als erster zum Frühstück kam, und krümmte sich zu seinen tropfenden Hosenbeinen. Er überlegte, wie er aus der Situation das meiste herausholen könne, als die Tür aufging. Der Professor schimpfte mürrisch über den Tumult.
«Was soll das? Was geht hier vor? Robin, was ist los? Ein Unfall?»
Graham warf seine nasse Jacke über die Schulter. « Robin heiratet Edith, statt mich.» Er sah seine zukünftige Frau vom Vormittag an. Sie saß mit genau demselben ruhigen Ausdruck vor dem Kamin. Er fand, er sollte irgend etwas zu ihr sagen, da ihm aber nichts besonders Passendes oder Selbstgefälliges einfiel, beschloß er, den Raum in würdigem Schweigen zu verlassen.
Der Professor zog nervös an seinem Schnurrbart.
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