Der Schönheitschirurg
dich nicht, Liebling, die Wunder der heutigen Technik bringen mich innerhalb eines Monats wieder zurück. Robin wird sich um deine Medikamente und so weiter kümmern, er versprach es mir. Er ist ein sehr guter Arzt, weißt du.»
Als Graham sie küßte, sagte sie: «Vielleicht wird mich während deiner Abwesenheit wieder der Besuch einer hysterischen Frau aufheitern?»
Graham lachte. Selbst für ihn klang das Lachen so hohl wie Mr. MacDonalds Versprechungen von der unmittelbar bevorstehenden Prosperität.
An der Tür hörte er einen Aufschrei. Sie starrte ihm nach, die Hand an den Hals gepreßt. «Desmond - du nimmst doch Desmond nicht mit? Nicht im Luftschiff?»
«Nein, natürlich nicht.» Er war verzweifelt ungeduldig, nach Blackfriars zu kommen. «Warum, um Himmels willen, fragst du?»
«Oh, ich weiß nicht. Ich bin manchmal so verwirrt. Ich dachte gar nicht daran, daß du schon heute vormittag fährst.»
Er ging zurück und streichelte ihre Wange. «Mach dir doch keine Sorgen», sagte er so schonend, wie er es Dutzende Male am Tag zu seinen Patienten sagte, und ebenso automatisch. Er fürchtete manchmal, daß seine Gefühle für seine Mitmenschen, ebenso wie seine Arbeit an ihnen, allzu oberflächlich seien. «Desmond kommt gleich wieder mit Robin und Edith zurück. Du wirst nicht allein sein.»
Sie faßte seine Hand. «Ohne dich bin ich immer allein.»
Seine Tasche mit dem an den Henkel gebundenen Tropenhelm in der Hand, eilte Graham durch die windige Kälte. Er trug den leichten Anzug, den Robin für die herbstliche Sonne Ägyptens empfohlen hatte. Das Luftschiff, so hatte man Graham wiederholt versichert, war sogar mit Zentralheizung ausgestattet.
Die Patientin im Blackfriars Hospital war ein zwanzigjähriges Mädchen, das seinen Daumen in einer Kartonfabrik mit der Schneidemaschine fein säuberlich amputiert hatte. Graham hatte ihr nach demselben Prinzip wie der Sarazene die neue Nase für den Oberfeldwebel einen neuen Daumen gemacht. Er hatte erst einen Streifen von ihrem Hüftknochen abgemeißelt und ihn, zunächst noch mit dem Hauptknochen verbunden, wie eine kleine Pyramide unter der Haut in der Leistengegend abstehen lassen. Ein paar Wochen später legte er die verletzte Hand hinunter und nähte sie an die Schwellung. Noch später, als der Knochensplitter von den Arterien im Arm des Mädchens versorgt wurde, löste er ihn gänzlich von der Hüfte. «Es sieht vielleicht nicht sehr elegant aus» sagte er damals zu Tom Raleigh, «aber zumindest kann sie etwas fassen - sie kann damit Messer und Gabel oder ein Stück Seife aufheben und auf zivilisierte Art essen oder sich waschen. Die anderen Finger sind ja für Ringe gut und recht, aber der Daumen ist unbedingt nötig. Er ist schließlich das, was wir den Tieren voraus haben, nicht wahr?»
Tom Raleigh hatte mild widersprochen. «Manche von diesen Prothesen sind sehr gut, Sir.»
«Ich lasse meine Patienten nicht mit Haken herumlaufen wie Seeleute in einer Pantomime», verwies ihn Graham barsch.
Aber irgend etwas war schief gegangen. Als Tom Raleigh an diesem Morgen vorsichtig die Verbände von der Hand des Mädchens entfernte, sah Graham nur allzu deutlich die klassischen vier Symptome des Celsus: calor, rubor, tumor, dolor - Hitze, Röte, Schwellung und Schmerzen, die Gefahrenzeichen einer Entzündung. Das Mädchen fröstelte. Die sofort angelegte vierstündige Fieberkurve - an sich schon ein unheilvolles Zeichen - zeigte 39,4. Graham hob vorsichtig ihren Arm. Die Blutvergiftung griff mit zwei langen, roten Fingern an ihrem Ellbogen vorbei nach den Lymphdrüsen in ihren Achselhöhlen.
«Wann hat das angefangen?» fragte er Tom Raleigh leise.
«Die Schwester bemerkte gestern abend, daß ihre Temperatur gestiegen war, Sir.»
«Wann war sie zuletzt normal? Wo ist die gewöhnliche Saaltabelle?» Graham ersah daraus, daß eine plötzliche, virulente Infektion eingetreten war. «Schicken Sie bitte gleich einen Abstrich ins Labor.»
«Tat ich gestern abend, Sir.»
Tom Raleigh überreichte ihm einen rosa Zettel, den bakteriologischen Befund. Es war, wie Graham gefürchtet hatte, ein virulenter Streptokokkus. Unter Pathologen, Schlächtern und anderen: Leuten, deren Berufe ihre Finger in ungesunde Winkel und Ritzen brachten, waren derlei Fälle ziemlich häufig. Allzu oft kam es zu einer grauenvollen sprunghaften Ausbreitung; der Chirurg amputierte die Hand, während die Infektion schon auf dem Weg zum Ellbogen war, eine zweite Amputation an der
Weitere Kostenlose Bücher