Der Schoepfer
Sachen nicht mehr brauche, bringe ich sie in die chemische Reinigung und schicke sie in einem hübschen Paket frisch gebügelt und mit einem Dankschreiben zurück.«
»Das wäre nett«, sagte Nummy.
»Ja, das wird ganz reizend sein. Und jetzt lass uns von hier verschwinden, ehe sie vor deiner Tür auftauchen und uns das antun, was sie den Leuten im Gefängnis angetan haben.«
Nummy hatte sich bemüht, nicht daran zu denken, was den Leuten in der Nachbarzelle angetan worden war, aber so etwas konnte man nicht einfach vergessen, wie man manchmal vergaß, dass bald Weihnachten war, bis die Leute anfingen, ihren Weihnachtsschmuck herauszuholen. Als Mr Lyss es jetzt erwähnte, sah Nummy alles wieder so deutlich vor sich, dass er sich beinah übergeben musste.
Sie verließen das Haus durch die Hintertür. Nummy schloss das Haus ab und versteckte den Schlüssel unter der Türmatte, und dann gingen sie zum Nachbarhaus hinüber, das etwa fünfzig bis sechzig Schritte weit entfernt lag, weil zu jedem der beiden Häuser ein Stück Land gehörte. Großmama hatte immer gesagt, es sei gut, ein Stück Land um das Haus herum zu haben, ganz gleich, wie nett die Nachbarn waren, und im Fall von Mrs Trudy LaPierre, hatte Großmama gesagt, war es der reinste Segen.
Das Haus der LaPierres war einstöckig. Zu der Veranda hinter dem Haus führte anstelle von Stufen eine Rampe, damit der arme Fred in seinem Rollstuhl rein und raus konnte.
Nummy sah unter der Türmatte nach, doch dort lag kein Schlüssel. Das machte aber nichts, weil Mr Lyss seine sechs kleinen Stahlstäbe zum Schlösserknacken hatte, und die steckten jetzt in seiner Jackentasche und nicht in seinem Arsch, und daher machte er sich sofort an die Arbeit. Hinter dem Haus war nur der Hof, und dann kam gleich der Wald. Daher konnte niemand sehen, was sie taten. Schon nach kurzer Zeit waren sie im Haus.
Im ganzen Haus gab es keine Vorhänge, weil Mrs Trudy LaPierre immer behauptet hatte, sie seien Staubfänger und verschlimmerten ihre Allergien. Stattdessen gab es an jedem Fenster weiß gestrichene hölzerne Fensterläden, und da die Schlitze kaum geöffnet waren, war es schummerig in den Zimmern.
Großmama hatte gesagt, Mrs Trudy LaPierres Allergien seien ebenso wenig wahr wie ihre Geschichte, sie hätte mit achtzehn Jahren den Schönheitswettbewerb gewonnen und sei zur Miss Idaho gekürt worden, und die Fensterläden hätte sie nur, weil sie ihren Nachbarn nicht so leicht mit dem Fernglas nachspionieren könnte, wenn Vorhänge an den Fenstern hingen.
Nummy kam es nicht richtig vor, in anderer Leute Haus zu sein, wenn die Leute nicht zu Hause waren, doch Mr Lyss schien das überhaupt nichts auszumachen. Er schaltete Licht an, wo er es brauchte, und ging in das Schlafzimmer des armen Fred voraus, der nicht im selben Zimmer geschlafen hatte wie Mrs Trudy.
Mr Lyss durchsuchte gerade die Schubladen einer Kommode nach einem Pullover, den er borgen könnte, als draußen auf der Straße ein Wagen schnell und scharf um die Ecke bog und mit quietschenden Reifen und lauten Motorgeräuschen an dem Haus vorbeiraste. Dann kam ein zweiter Wagen genauso schnell um die Ecke gebogen. Mr Lyss stellte sich an ein Fenster mit Blick nach Norden und öffnete die Schlitze zwischen den Fensterläden weiter. Als erst die Bremsen des einen Wagens und dann die des anderen quietschten, nahm er das Fernglas vom nächsten Stuhl und hielt es an seine Augen.
Nummy wünschte, auch er hätte einen Fensterplatz, bis Mr Lyss sagte: »Bullen.« Da wurde Nummy beinah übel, und er wollte nicht mehr in der Nähe eines der Fenster sein.
»Zwei Fahrzeuge, vier Bullen«, sagte Mr Lyss. »Bei den Fahrzeugen handelt es sich natürlich um ganz normale Fahrzeuge, aber die Bullen sind etwas viel Schlimmeres als Bullen. Zwei von ihnen steigen die Stufen vor dem Haus hinauf, die beiden anderen gehen ums Haus herum zu deiner Hintertür. Ich wette mit dir um achtunddreißig Dollar, dass sie deinen versteckten Schlüssel finden.«
»Wetten ist verrucht. Was ist, wenn sie hierherkommen?«
»Das werden sie nicht tun.«
»Aber wenn sie es doch tun?«
»Dann sind wir tot.«
32.
Zwei städtische Angestellte trafen in einem Lieferwagen voller Baumaterial und Elektrowerkzeug ein, um an der Scheune am hinteren Ende des Anwesens der Potters die notwendigen Umbauten vorzunehmen.
Der neue Bürgermeister Erskine Potter überwachte die Vorbereitungen im Rasthaus Pickin’ and Grinnin’ , wo an jenem Abend die Kirche der
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